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"Ich hatte den Eindruck, dass alles, was Ritchie die ganze Zeit wollte, nur Ronnie`s Stimme war. Er dachte sich, er nimmt mal die ganze "Packung" und sortiert aus, was er nicht gebrauchen kann."
Interview mit Mickey Lee Soule, 5.7.1997, Stuttgart/Baden-Baden

von Andree Schneider

Am 5. Juli 1997, einen Tag vor dem Deep Purple-Konzert auf dem Daytona Europe Festival in Lahr, interviewte ich Mickey Lee Soule auf der Fahrt vom Stuttgarter Flughafen nach Baden-Baden.
Zur Erinnerung: Mickey spielte von Anfang bis Mitte der 70er mit Ronnie James Dio bei ELF und bediente auch die Tasten auf der 1975 erschienen Solo-LP von Ritchie namens "Ritchie Blackmore`s Rainbow". Anschließend spielte er auch beispielsweise auf Roger Glovers Solo-Scheiben "Butterfly Ball" und "Elements". Mittlerweile verdient sich Mickey als Jon`s Keyboard-Techniker seine Brötchen.
Bevor ihr das Interview lest, noch eine kleine Anmerkung: Die ganze Angelegenheit lief eher in Form eines lockeren Gespräches ab, denn Vorbereitungszeit für ein richtiges Interview war nicht vorhanden. Ich glaube dennoch, bei aller Spontanität, einige interessante Facts aus Mickey herausbekommen zu haben.

Mickey Lee Soule in Baden-BadenAS: Ich war doch ziemlich überrascht, als ich davon erfuhr, dass Du für mittlerweile für Deep Purple arbeitest....
MLS: Als ich das erste Mal zur Band stieß, hatte ich die meisten von ihnen schon jahrelang nicht mehr gesehen. Roger und ich waren früher sehr gute Freunde. Er produzierte die Alben von ELF und ich machte auf "Butterfly Ball" und einem weiteren seiner Solo-Alben mit. Es ergab sich, dass ich in Orlando/Florida war. Nebenbei bemerkt war ich seit rund zwanzig Jahren eigentlich nicht mehr im Musik-Business.
AS: Woran lag das?
MLS: Nun ja, in den 70ern habe ich einige schlechte Erfahrungen gemacht.
AS: Hat das möglicherweise auch etwas mit Ritchie Blackmore zu tun?
MLS: Ok, das war auch eine der schlechten Erfahrungen, die ich machen musste, aber das war nicht der ausschlaggebende Punkt, warum ich mit der Musik aufhörte. Erst ein Mal heiratete ich, dann kam mein Sohn auf die Welt. Ich hatte Schwierigkeiten mit dem geschäftlichen Teil des Business und das alles beeinflusste meine Freundschaften - auch zu Leuten, mit denen ich aufgewachsen war. So entschied ich mich aufzuhören und andere Sachen auszuprobieren. Ich ging für einige Jahre zum Theater nach New York und fing irgendwann wieder an, in meiner Gegend rumzuziehen und mit Blues-Bands zu spielen. In der Zwischenzeit wurden meine Frau und ich geschieden und mein Sohn landete schließlich in Orlando. Ich flog hin, um ihn zu besuchen und hörte, dass Deep Purple gerade dort im Studio waren - sie nahmen in dieser Zeit "Purpendicular" auf. Eines guten Tages fuhr ich hin und schaute einfach mal unangemeldet rein und sagte: "Hey, könnt Ihr Euch an mich erinnern?" Alle waren aus dem Häuschen und wir gingen in einen Pub und genehmigten uns einen. Roger und ich sprachen über alte Zeiten und über ein eventuelles Side-Projekt. Aber er ist natürlich momentan sehr beschäftigt. Wir würden uns musikalisch sicher gut verstehen und wollen deshalb irgendwann etwas zusammen schreiben. Vielleicht gibt es ja mal eines Tages etwas, wo unsere beiden Namen draufstehen. Wie dem auch sei, zu dieser Zeit machte ich auf jeden Fall eigentlich gar nichts und Purple hatten gerade ihren Keyboard-Techniker verloren. Sie fragten mich: "Willst Du mit auf Welt-Tournee gehen?" Ich sagte: "Ok, ich hab sowieso gerade nichts Besseres zu tun." Jetzt mache ich den Job seit letztem Jahr und bin mit ihnen rund um die Welt gezogen - 125 Konzerte. Es war eine tolle Zeit.
AS: Vermisst Du es eigentlich nicht, mal wieder selbst auf der Bühne zu stehen?
MLS: Ich weiß es nicht. Ich vermisse es auf die gleiche Art wie man vermisst, nicht mehr ein Kind zu sein. Ich genieße das, was ich jetzt mache. Alle in der Band sind wirklich sehr nett und ich kann meinen Teil dazu beitragen, dass alles gelingt. Es sind wirkliche Freunde und ich denke nicht, dass ich das für irgendjemand anderen tun würde. Ich hatte schon Ende letzten Jahres darüber nachgedacht aufzuhören und etwas anderes zu machen. Nachdem wir Anfang 1997 noch in Südamerika waren, sollte die Tour eigentlich endgültig beendet sein, wegen der Arbeit am neuen Album. Nun wollten sie aber trotzdem auf einigen Festivals spielen und ich entschied mich doch nochmal, dabei zu bleiben. Aber ich weiß nicht wie lange noch. Gut, es macht mir Spaß, aber dies ist trotzdem nicht der Weg, den ich gehen möchte. Wenn sie nach ihrem Studio-Aufenthalt wieder auf eine Welt-Tournee gehen ...... Wer weiß? Wir werden sehen.
AS: Erzähle doch mal etwas über Deine Arbeit bei Deep Purple. Worin genau besteht Deine Aufgabe?
Mickey Lee mit Banane und BierMLS: Ich bin der Keyboard-Techniker. Meine Aufgabe ist zunächst einmal sicherzustellen, dass das Equipment auf der Bühne richtig aufgestellt wird. Außerdem muss ich während der Show immer die Keyboard-Sounds wechseln. Jon benutzt nämlich verschiedene Keyboards, die alle miteinander vernetzt sind, so dass man alle Sounds kombinieren kann. Bei jedem Song benutzt er eine eigene Soundkombination. Die Soundwechsel sind manchmal sogar mitten im Lied. In den Soundwechseln liegt der Hauptteil meiner Verantwortung.
AS: Ist die Arbeit anstrengend?
MLS: Nein, sie ist nicht sehr anstrengend und Jon macht es mir auch leicht. Er ist sehr nett und ein Typ, mit dem man gerne zusammenarbeitet.
AS: In der Band herrscht seit dem Gitarristenwechsel offensichtlich eine tolle Atmosphäre.
MLS: Ich will mich nicht zu sehr in das Ritchie-Thema einmischen. Ich denke, Ritchie ist ein großartiger Musiker und ich weiß wirklich nichts über die persönlichen Konflikte innerhalb der Band. Ich spreche nur für mich selbst. Als ich bei Rainbow war, hatten wir unterschiedliche Arbeitsweisen. Das alles war keine persönliche Sache zwischen uns. Ich habe viele Geschichten über ihn gehört und kann nachvollziehen, wovon die Leute reden. Er kann tatsächlich schwierig sein, aber ich finde, er ist nun einmal ein großartiger Musiker. Er hat einen ganz eigenen Weg, seine Kunst rüberzubringen. Man kann ihm nichts vorwerfen, solange er weiterhin ein so großer Künstler ist, sondern muss ihm den Freiraum geben, den er braucht. Ich werde nicht schlecht von ihm reden nur seiner Persönlichkeit wegen. Ich persönlich fand ihn auch nie so aggressiv wie manche Leute sagen, aber verstehen kann ich sie schon. Er ist halt meistens etwas seltsam.
AS: Hast Du damals eigentlich auch mit ihm auf der Bühne gestanden?
MLS: Das erste Rainbow-Album ("Ritchie Blackmore`s Rainbow") begann damals als Ritchie`s Solo-Projekt. Er brauchte die Musiker der Band ELF eigentlich nur für die Aufnahmen. Nach der Fertigstellung des Albums entschied er sich dann aber, eine Band zu gründen. So fragte er uns, ob wir seine Band sein wollten und wir zogen - mit Ausnahme unseres Gitarristen - nach Malibu/Kalifornien. Mit Beginn der Proben begannen auch die Probleme. Es war wirklich nicht das, was ich eigentlich machen wollte. Ich bin eher ein Piano-Spieler und er suchte nach einem Keyborder. Folglich war ich nicht glücklich in meiner Rolle. Ich wollte mehr Mitsprache beim Songwriting, denn das hatte ich mit Ronnie Dio all die Jahre zuvor gemacht. Ritchie und ich hatten verschiedene Denk- und Arbeitsweisen und mir lag inzwischen ein anderes Angebot vor - und so dachte ich, dass es das Beste sei, die Band zu verlassen.
AS: Du hast die Band verlassen? Bisher dachte ich immer, Ritchie hätte Euch alle gefeuert. Dann ist das wohl nicht wahr?
MLS: Nun gut, es ist zum Teil wahr. Er feuerte einen nach dem anderen - erst unseren Bassisten, dann den Schlagzeuger und ich wäre wohl der Nächste gewesen. Es ist eigentlich auch egal, wessen Entscheidung es letztlich war. Ich war unglücklich, hatte ein Angebot vorliegen und war froh sagen zu können, dass ich gehe - bevor er es mir gesagt hätte. Es war nur eine Sache des richtigen Timings.
AS: Du warst also schneller...
MLS: Ich schätze ja (lacht). Aber die ganze Sache berührt mich heute überhaupt nicht mehr, es ist schon so lange her. Am schwersten fiel es mir damals, mich von Ronnie Dio zu trennen. Er und ich waren seit Jahren als Songwriting-Team zusammen und wir hatten in kleinen Clubs gespielt. Ich hatte den Eindruck, dass alles, was Ritchie die ganze Zeit wollte, nur Ronnie`s Stimme war. Er dachte sich, er nimmt mal die ganze "Packung" und sortiert aus, was er nicht gebrauchen kann. Ich weiß nicht, ob er jemals das bekam, was er suchte, denn auf jedem Rainbow-Album waren wieder andere Musiker dabei.
AS: Hast Du heute auch noch zu Kontakt zu Ronnie James Dio?
MLS: Ein ganz klein wenig Kontakt besteht noch. Er ist ja noch im Geschäft. Als ich in N.Y. war, hörte ich im Radio, dass er gerade dort spielt. Daher weiß ich, dass er immer noch arbeitet. Wir sind zwar weiterhin Freunde, haben aber nicht mehr diesen engen Kontakt wie früher. Vor einigen Jahren habe ich ihn mal in seinem Haus in Los Angeles besucht. Heute macht er halt seine Sache und ich meine. Deshalb sehen wir uns auch nicht mehr allzu häufig.
AS: Bei Ritchie Blackmore`s Rainbow haben ja damals auch noch andere Leute mitgewirkt. Was ist beispielsweise aus dem Schlagzeuger Gary Driscoll geworden?
MLS: Das ist eine Sache, über die ich nicht gerne rede. Vor ungefähr 10 Jahren wurde Gary in N.Y. ermordet, brutal ermordet. Ich hatte ihn für ca. 1 Jahr nicht mehr gesehen und erfuhr es aus den Fernsehnachrichten. Dies war eine absolute Horrorerfahrung für mich, denn ich kannte auch seine Familie sehr gut. Alle waren total geschockt über die Art und Weise wie es passierte. Er war mein Lieblings-Schlagzeuger. Es gibt viele Schlagzeuger die gut sind, Paicey z.B. ist unglaublich gut. Ich meine das aber nicht so sehr in technischer Hinsicht. Gary stand mir sehr nahe und für mich war er halt der Größte. Das brutale Verbrechen wurde nie aufgeklärt. Er wurde zu Tode gefoltert und keiner weiß, ob es vielleicht eine Verwechslung war. Obwohl es viele verrückte Gerüchte gab, weiß bis heute niemand den tatsächlichen Grund für diese Tat. Meiner Meinung nach war Gary der gute Geist von ELF. Sein Tod ist ein herber Verlust.
AS: Und was ist mit dem damaligen Bassisten, Graig Gruber?
MLS: Ich habe ihn total aus den Augen verloren. Ich weiß nur, dass er irgendwo in den Westen gezogen ist. Das Letzte was ich hörte war, dass er bei Kansas gespielt hat, allerdings bevor Steve Morse dort Gitarre spielte (Steve is not in Kansas anymore...). Was er danach gemacht hat weiß ich nicht. Ich glaube, er ist nicht mehr im Musik-Business.
AS: Wie lautet eigentlich Dein richtiger Name?
MLS: Michael.
AS: Wie kam es dann zu "Mickey Lee"?
Andree Schneider und Mickey Lee Soule in Baden-BadenMLS: Das ist viele Jahre her, als ich noch sehr jung war und gerade in lokalen Bands mit der Musik anfing. Damals war ich einer der wenigen Piano-Spieler im Ort, denn sonst gab es da fast nur Gitarristen und Schlagzeuger. Irgendjemand gab mir den Spitznamen "Mickey Lee", weil Mickey Lee Soule so ähnlich klang wie Jerry Lee Lewis. Jeder nannte mich bald so. Auch Ronnie Dio, der übrigens in der gleichen Stadt wie ich aufwuchs, nannte mich Mickey Lee, als er mich fragte, ob ich in seiner Band spielen wolle. So sagte ich zu mir: "Ich schätze, Mickey Lee ist jetzt Dein Name." Ich bin nicht der Typ, der auf Michael bestanden hätte. Es ist also nicht so wie mache Leute denken, dass dies mein Künstlername sei. Nein, es ist ein Spitzname aus den Tagen als ich noch jung war.
AS: Darf ich fragen, wo und wann Du geboren wurdest?
MLS: In Cortland/New York am 6.6.1946. Cortland ist ein kleiner Ort mit rund 20.000 Einwohnern. Weil es in der Nähe viele Universitäten gab, konnten dort Ende der 60er/Anfang der 70er oft Bands auftreten. In den Schulen gab es fast jede Woche irgendwelche Feste und für einen Auftritt wurde man sehr gut bezahlt.
AS: Stimmt es eigentlich, dass Du mal kurzzeitig in der Ian Gillan Band gespielt hast?
MLS: Als Ian Gillan 1973 Deep Purple verließ, gründete er nach einer Pause seine eigene Band. Es muß zu der Zeit gewesen sein, als ich mit Roger "Butterfly Ball" einspielte. Ian`s Keyboarder damals hieß Colin Towns, die anderen Bandmitglieder waren Mark Nauseef, John Gustafson und Ray Fenwick - sie hatten gerade "Scarabus" veröffentlicht. Der Keyboarder hatte für kurze Zeit andere Verpflichtungen und so brauchten sie jemanden der einsprang und so `ne Art Warm up-Tour mitmachte. Sie riefen mich an und wir machten eine Frankreich-Tour. Das war eine der verrücktesten Sachen, die ich je mitgemacht habe. Die Jungs in der Band waren damals durchgeknallt, einfach total verrückt (lacht). Das machte viel Spaß und es sind viele verrückte Sachen passiert, zerstörte Hotelzimmer u.s.w. Es war eine großartige Erfahrung.
Mark Nauseef kommt übrigens auch aus Cortland, lebt jetzt aber mit seiner Frau und seinem Kind in Deutschland und macht immer noch Musik. Er bringt Solo-Alben raus. Die Musik ist sehr vielseitig, mit Jazz-Einflüssen. Er mag alle Arten von Musik und kann viele verschiedene Sachen spielen. Ich finde, er ist eher ein Percussionist als ein typischer Schlagzeuger. Er ist auch heute noch ein guter Freund von mir.
AS: Vielen Dank, dass Du so mutig warst, in unserem alten Vehikel mitzufahren. Die "Aviator"-Mitglieder werden sich sicher sehr freuen, endlich nochmal etwas von Dir zu hören.
MLS: Ich habe zu danken für die Fahrt und natürlich das Bier. Das Gespräch hat mir viel Spaß gemacht.

Übersetzung: Tommy Helber
pics: Andree Schneider & Woody Woodstock
Quelle: The Aviator No. 4, Oktober 1997