von Klaus Horn
Deep Purple auf dem Hessentag, Bad Arolsen
Für alle Nichthessen: der Hessentag ist eine Veranstaltung,
die jedes Jahr in einer anderen hessischen Stadt stattfindet; im
Laufe einer Woche gibt es da allerhand zu sehen, hören, essen
und natürlich zu trinken. Als der Hessentag vor einigen Jahren
in meiner Heimatstadt abgehalten wurde, gab es die Zillertaler Schürzenjäger-
und in Bad Arolsen nun Deep Purple (grrr, das Leben ist nicht fair).
Auf dem Weg nach Bad Arolsen wurde man erst mal kilometerweit durch
irgendwelche Wälder und Truppenübungsplätze geleitet,
vorbei an etwas, das wie ein Kneippbad für Panzer aussah (wahrscheinlich
eine Panzerwaschanlage), und das alles im Schritttempo, weil ich
nicht der einzige war, der nach Arolsen wollte.
Der bereits seit einer halben Stunde angekündigte Großraum-Parkplatz
machte seinem Namen alle Ehre. Wenn ein Drittel aller Chinesen sich
dicht nebeneinander stehend auf diese Fläche zwängen würde,
dann würden bis auf drei alle draufpassen (naja, vielleicht
auch nicht; auf jeden Fall war die Parkfläche verdammt groß...)
Um zum Stadion zu gelangen, musste man den Menschenmassen folgen,
und schon bald bestätigte immer lauter werdende Musik, dass
man sich tatsächlich in der richtigen Schlange befand (es handelte
sich dabei um die Vorgruppe, die bereits fertig war, als ich endlich
das Stadion erreichte, weshalb ich nicht mehr über sie sagen
kann).
Lynyrd Skynyrd machten einen guten Job, und die Zugabe Free Bird
war absolut klasse. Der Sänger hatte zuvor die Menge gefragt,
was sie hören wollen, wohlwissend, dass die Fans nach diesem
Stück verlangen würden. Ian Gillan verkneift sich solche
Fragen lieber, sonst müsste er auf seine alten Tage doch noch
mal Child in time singen.
Die (nicht von Lynyrd Skynyrd, sondern von einem Würstchenstand)
angebotenen Riesen-Krakauer waren nicht so ganz durch, am Bierstand
gings nicht schneller voran wie vorher auf der Straße,
aber dafür konnte ich feststellen, dass an dem Cocktailstand
genau die selben feurigen Brasilianerinnen bedienten, die mich bereits
eine Woche vorher bei einem Fest im Odenwald durch ihre Präsenz
fast dazu inspiriert hätten, einen Cocktail zu trinken, obwohl
ich diese Dinger hasse.
Nachdem es mir gelungen war, mich in der Pause nach vorne zu schleichen,
konnte ich die Bühne recht gut einsahen. Mir war erzählt
worden, dass einer der Höhepunkte bei dem Konzert in Karlsruhe
der Auftritt eines Purple-Roadies mit einem Staubsauger war (wohl
um die Bühne nach LS für Big Ians nackte Füße
in einen Wohlfühl-Zustand zu versetzen). Falls hier auch ein
Staubsauger zum Einsatz kam, habe ich ihn verpasst.
Lediglich Little Ian konnte ich von meinem Platz aus vor lauter
Schlagzeug nicht sehen. Es war aber unüberhörbar, dass
er da war. Roger trug zunächst zu seinem Kopftuch eine Sonnenbrille,
die er später abnahm (wahrscheinlich hatte er sich gewundert,
dass es schon so dunkel ist).
Opener war Highway Star, gefolgt von Mary Long, das nun auch schon
seit drei Jahren im Set ist. Danach gabs eine ordentliche
Version von Im alone, das vor dieser Tour noch nie live gespielt
wurde. Danach kam Pictures of home; ein Song, von dem nicht wenige
meinen, er sei nun oft genug gespielt worden (aber man kann es bekanntlich
nicht allen recht machen).
Pünktlich zu Haunted betrat ein Gespenst die Bühne - nein,
es war doch Ian Gillan, der sich umgezogen und eine seiner unsäglichen
weißen Kutten, die er seit dem Royal-Albert-Hall-Konzert so
gerne trägt, angelegt hatte. Der Song begann mit einem Intro
durch Steve und Don in etwa der Art, wie auch schon When a blind
man cries live eingeleitet worden war. Was soll ich sagen? Der Song
riss mich nicht so mit, dass ich mir spontan die Klamotten vom Leib
gerissen und in die tobende Menge geworfen hätte. Muss ich
mir wohl auf der CD Ende August noch mal genau anhören...
Es folgte eine Version von Speed King, die verglichen mit denen,
die man mitlerweile gewohnt ist, recht kurz ausfiel; so war auch
das Duell zwischen Steve und Don eher ein Duellchen.
Steve überzeugte bei Well dressed guitar, wobei Don mehr Keyboard-
Work einbrachte als das in früheren Versionen des Stückes
der Fall gewesen war. Bei Lazy konnten die Jungs ordentlich brillieren.
Dann folgte der zweite Song der neuen (zukünftigen) CD Bananas.
Leider hatte ich die Bananen vergessen, die ich eigentlich anlässlich
des neuen Albumtitels auf die Bühne werfen wollte. So musste
sich Big Ian mit einer eingeschweißten Rose begnügen,
die eine Verehrerin (ich nehme jedenfalls an, dass es kein Verehrer
war) auf die Bühne warf. Titel: Ive got your number.
Ich kann mich nur noch erinnern, dass mir der Mittelteil des Stückes
besser gefallen hat als der Rest, ansonsten hatte ich eher den Eindruck,
dass die beiden neuen Stücke die schwächsten des Abends
waren; trotzdem tat es natürlich gut, mal was neues zu hören
(zumal man ja auch neugierig ist).
Don Aireys Solo (gespickt mit Mozarts Rondo alla Turca, dem Thema
aus Star Wars und was weiss ich mit was noch allem) war sehr gut
und leitete gelungen zu Perfect Strangers über, das wohl für
mich den Höhepunkt des Abends bot. Das unvermeidliche Smoke
on the water wurde mal wieder eingeleitet durch Steve Guitar-Parade,
und eine kurze Version von Space Trucking beendete den Set. Als
Zugaben wurden Hush und eine längere und ordentliche Version
von Black Night gegeben.
Was kann man über das Konzert sagen? Für meinen Geschmack
waren die Stücke durchgängig zu kurz, wodurch sehr wenig
Raum für Improvisationen (die nun mal bei Purple Salz, Pfeffer,
Curry und Maggi in der Suppe sind) ließen. Dass alle fünf
Ausnahmekönner sind, wissen wir ja, aber es fehlte ein bisschen
das gewisse Etwas. Ansonsten waren die Jungs ziemlich gut drauf.
Bei Roger fiel auf, dass er gegen Ende die Songs lauthals mitsang.
Gottseidank (auch gemäß der eigenen Einschätzung
seiner Stimme) hatte er jedoch kein Mikrofon. Wenn ich das richtig
erkennen konnte, trank er während der Show Bitburger. Darüber,
was Big Ian vor der Show getrunken hatte, möchte ich nicht
nachdenken; er war jedenfalls gut bei Stimme und auch bei Laune,
und seine Füße waren am Schluß ganz schön
schwarz. Steve versuchte seinen eigenen Rekord im Dauergrinsen zu
überbieten und Don kam zur Zugabe mit einem recht- sagen wir
mal gewöhnungsbedürftigen Hut zurück.
Das Konzert war okay, aber als Purple-Fan ist man schließlich
verwöhnt. Bei früheren Tourneen hätte ich mir nach
einem Purple- Konzert am liebsten am nächsten Tag gleich noch
eins reingezogen (oder habe es getan); dieses Bedürfnis verspürte
ich nach diesem Konzert nicht. Ich denke mal, dass die anderen Konzerte
auf der Tour ziemlich gleich klangen wie dieses. Das war nun mal
früher nicht so, als jedes Konzert eine eigene Seele hatte.
Aber wir wollen nicht meckern; das Konzert war okay, es hat nicht
geregnet, ich habe mein Auto wiedergefunden und bin problemlos heimgekommen
(vielen Dank an die Leute, die mir Starthilfe gegeben haben).
Freuen wir uns also auf Bananas und hoffen, dass nicht
zu viele faule dabeisein werden...
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