von Oliver Kling
Die
"Essence Of Rock"-Tour führte an diesem Freitagabend
nach Kleinostheim, einem kleinen Kaff in der Nähe von Aschaffenburg.
Zu meinem Erstaunen erfuhr ich, dass bereits Alice Cooper bei seiner
letzten Tour hier ein Gastspiel gab.
Gemessen an der Zahl der Deep Purple-T-Shirt-Träger waren es
nicht wenige, die wegen Glenn anwesend waren. Der durfte nach ca.
20 Min. Verspätung gleich als erster auf die Bühne und
räumte gnadenlos ab. Die Song-Auswahl ließ jedes Deep
Purple-Fan-Herz höher schlagen:
Stormbringer / Might Just Take Your Live / You Kill Me / Neverafter
/ No Stranger To Love / Gettin` Tighter (inkl. Dance To The Rock`n`Roll
und What Time Is Love) / You Keep On Movin` / Burn / You Fool No
One
Ich hätte nie gedacht, "Might Just Take Your Life"
oder "You Fool No One" jemals live erleben zu dürfen.
Wie Glenn bereits in The Aviator No. 7 ankündigte, spielte
er auch einen Song aus seiner Black Sabbath-Zeit, nämlich "No
Stranger To Love". Zwischen den Songs erzählte Glenn immer
wieder Geschichten aus seiner Karriere. Beispielsweise behauptete
er, niemals bei Deep Purple gespielt zu haben, denn dazu wäre
er viel zu jung. Außerdem wäre der Typ, der auf dem "California
Jam"-Video zu sehen ist, sein Vater... Wenn Glenn Hughes und
Ian Gillan gemeinsam auf der Bühne stehen würden, wären
sie sicher ein hervorragendes Comedy-Duo. Doch Glenn hatte nicht
nur die Lacher auf seiner Seite, auch musikalisch konnte er voll
überzeugen. Dass er über eine der besten Stimme der gesamten
Musikwelt (damit meine ich Rock, Blues, Soul etc. - der Mann hat
einfach alles drauf...) verfügt, brauche ich wohl nicht erwähnen.
Außerdem
spielt er einen tierischen Bass. Leider war auch dieser Gig nach
ca. 75 Min. vorbei. Wie der Ansager zu Beginn des Konzertes mitteilte,
gab Glenn nach seinem Auftritt im Foyer der Halle Autrogramme. Bescheuert,
wie ich nun einmal bin, wollte ich meinen schönen Platz in
der ersten Reihe nicht opfern. Schließlich sollte doch Michael
Schenker, das Idol meiner Jugend, die Bühne entern. Anfangs
erkannt ich ihn nicht, da er mit seinem neuen Haarschnitt wie Billy
Idol aussieht. Erst als ihn sein Roadie die legendäre Flying-V
überreichte, merkte ich, wer da stand. Und da stand er wie
angewurzelt. Sein Aktionsradius betrug höchstens zweieinhalb
Bierdeckel. Musikalisch boten er und seine Mitstreiter eine ziemlich
durchschnittliche Leistung. Ein weiterer Schwachpunkt war meiner
Meinung nach die Songauswahl: Es wurden zu viele U.F.O.-Songs gespielt,
wodurch leider einige MSG-Klassiker auf der Strecke blieben.
Schließlich wurde es Zeit für den Headliner Thin Lizzy,
oder was davon übriggeblieben ist. Seltsamerweise eröffneten
sie nicht mit "The Boys Are Back In Town" sondern mit
"Jailbreak". Kurz vor Tour-Beginn wurde Drummer Brain
Downey von Tommy Aldridge ersetzt. John Sykes, der sich überhaupt
nicht verändert hat und immer noch genau so aussieht wie Anfang
der Achtziger, ist ein würdiger Nachfolger für den verstorbenen
Phil Lynott.
Der Gewinner des Abends bzw. der gesamten Tour war sicher Glenn
Hughes. Er konnte mit seinen energiegeladenen Auftritten und seiner
sympathischen Art jede Menge neue Fans dazugewinnen. Was man von
einem gewissen Herrn Schenker nicht gerade behaupten kann...
pics: Oliver Kling
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