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Herr Vogelmanns wunderbarer Trommelladen
Glenn Hughes - Live 2000
München, Georg Elser-Halle, 15.11.2000

von Thomas Wehlt

Binnen Jahresfrist bereits zum zweiten mal "The voice of Rock" zu Gast in München, dieses mal in der erst seit kurzem für Konzerte zur Verfügung stehenden Georg-Elser-Halle. In 1999 war Glenn mit der Anheizer-Rolle für die Michael Schenker-Group und Thin Lizzy betraut, dieses mal nun also als Support für UFO.
Seit Stunden höre ich nun die Glenn Hughes-Platten aus den 90er Jahren und bin immer wieder aufs neue von der verblüffenden Stilvielfalt und der bemerkenswerten Variabilität seiner Stimme beeindruckt. Ein Sänger dieses Qualitätslevels, mit diesem rockhistorischen Background und diesen faszinierenden musikalischen Möglichkeiten sollte doch eigentlich die qualitätsbewussten Rockfans in Scharen anziehen und locker für gefüllte Hallen sorgen. Leider war aber an diesem Abend die ohnehin recht kleine Halle nur "sehr Glenn Hughesübersichtlich" gefüllt, was allerdings andererseits wieder recht vorteilhaft war im Interesse eines zügigen Erhaltes "bayerischer Hopfenkaltschale". Vor Jahresfrist als opening act für Thin Lizzy sah das noch ganz anders aus. Damals war die Halle voller ausgehungerter Lizzy-Fans, welche allerdings auch Glenn Hughes hoch zu schätzen wussten. Dieses mal hatten offenbar UFO keine ähnliche Zugkraft, nach dem Konzert wusste ich aber auch den Grund dafür. Wie auch immer, ich war natürlich wegen Glenn Hughes gekommen und hoffte selbstverständlich auf ein geiles Konzert. Währenddessen die unangekündigte erste Vorband namens "Moon' Doc" um den ehemaligen Accept-Gitarristen Hermann Frank krampfhaft versuchte, die reservierten und verwöhnten Münchner Rock-Fans aus ihrer Lethargie zu reißen, hatte ich die Muse, noch einmal die aktuelle Hughes-CD "Return Of Crystal Karma" zu rekapitulieren. Die Songs auf der Platte sind so vielschichtig wie die zahlreichen unterschiedlichen Outfits während seiner Karriere. So optisch differenziert, wie er sich über die Jahre auf seinen Plattencovern präsentiert hat, so multipel ist auch das breite Spektrum seiner Musik. Wie ein Chamäleon changiert er zwischen Rock & Soul, Blues & Jazz, Pop & Techno. Das erfordert die Fähigkeit, eine Stimme zu besitzen, mit der man all dieses auch singen kann. Und das Glenn diese Fähigkeiten besitzt, hat er nicht zuletzt auch mit der neuen Platte wieder bewiesen, die obendrein noch von den brillanten instrumentalen Möglichkeiten seiner altbewährten Mitstreiter Joakim Marsh, Hans Zermüehlen und natürlich insbesondere Gary Ferguson lebt. Leider muss ich aber auch bei der neuen Platte für mein persönliches, subjektives Empfinden eine nicht hinreichend ausgeschöpfte Klasse der kompositorischen Substanz konstatieren. Manche der Kompositionen sind leider nur Mittelklasse und nur der außerordentliche gesangliche Einsatz Glenns kann retten, was sich retten lässt. Die Songs auf den letzten Platten klingen mir teilweise einfach zu beliebig austauschbar, es fehlen die prägnant einprägsamen Hooklines, die zündenden Ideen, der letzte Kick. Gut, es gibt sicherlich keine Totalausfälle zu verzeichnen und nach oftmaligem Hören gehen die Songs dann auch recht gut ins Ohr, aber Glenns Potential ist nicht ausgeschöpft. Nichtsdestotrotz ist Glenn Hughes live immer wieder eine Klasse für sich und lässt dabei garantiert nix anbrennen.
Gegen 20.45 Uhr durfte er dann endlich auch die Katze aus dem Sack lassen und enterte unter erfreulich stürmischen Applaus der Anwesenden mit seinen Mannen die Bühne. Als sehr großes Manko empfand ich das Fehlen von Hans Zermüehlen, dessen prima Tastenarbeit während der letzten Konzerte immer für einen vollen Sound und interessante Variationen sorgte, man denke nur an das phantastische E-Piano-Solo in "Coast To Coast" auf der "Live In South America"-CD. So musste man sich also mit dem Basis-Rock-Instrumentarium zufrieden geben, was andererseits allerdings auch für eine sehr druckvolle, aufs wesentliche beschränkte Performance sorgte. Mit JJ Marsh und dem alten Haudegen und langjährigen Wegbegleiter Gary Ferguson, welcher übrigens in München mittels einer übergezogenen "Wollsocke" sein lichtes Haupthaar zu verdecken versuchte, präsentierte sich ein bewährtes und eingespieltes Lineup. Glenn eröffnete das Konzert exakt so wie die aktuelle CD, nämlich mit dem expressiven "The State I´m In" und gleich anschließend nicht minder mitreißend mit "Midnight Meditated". Das überraschte mich schon etwas, dass er dem Publikum, welches, so nehme ich mal an, wohl eher wegen UFO gekommen war und somit mit den neuesten Hughes-Kreationen wohl nicht so vertraut war, gleich unbekanntes und brandneues Material um die Ohren knallte. Aber bemerkenswerterweise war gleich zu Beginn eine Klassestimmung in der Halle und die Leute gingen sofort gut mit und ließen die Frage erwachsen, wer denn da wohl eigentlich der Headliner des Abends sei. Gibt es überhaupt jemals einen Tag, an dem Glenn nicht allerbestens bei Stimme ist und die Oktaven überschreitende Breite seines Gesanges nicht zu 100% rüberbringen kann? Ich persönlich habe dies jedenfalls noch nicht erlebt und auch an diesem Abend war es wieder schier unglaublich, die tiefsten Tiefen und die höchsten Höhen von diesem Sangesakrobaten zu hören. Glenns Stimme würde locker für ein Dutzend weiterer Möchtegern-Sangeskünstler reichen, welche aber paradoxerweise häufig ungleich mehr kommerziellen Erfolg für sich verbuchen können. Die Jungs waren super gut drauf und agierten mit sicht- und hörbarem Elan. Nach diesen beiden Openern begann, wie nicht anders zu erwarten, eine Zeitreise zurück in die reichhaltige Vergangenheit des Mr. Hughes. Zwischen den Songs kommunizierte er auch immer wieder mit den Fans, kommentierte die Perioden seiner Karriere und zeigte sich sehr gesprächig. So erzählte er z.B., dass er während der letzten 20 Jahre bis 1998 nicht einmal in München war und nun binnen zweier Jahre schon das vierte mal hier sei und das München für ihn natürlich "the best town in Germany" ist. Außerdem hätte man wohl letztens zu ihm gesagt: "Glenn Hughes, ja super, klasse Sänger, aber seine besten Tage lägen längst hinter ihm", womit ganz sicher die 70er Jahre gemeint waren. Er erwiderte: Die besten Tage? Ständig im Alkohol- und Drogensumpf gefangen, ewig Trouble mit einem profilneurotischen Gitarristen und der Tod seines besten Freundes Tommy Bolin. Nein, das waren bestimmt nicht seine besten Tage. Die besten Tage hatte er während der letzten 10 Jahre in den 90er Jahren, als er endlich den schier bodenlosen Drogensumpf hinter sich lassen, mit vielen Freunden langgehegte musikalische Wünsche verwirklichen und sich endlich wieder mit Hingabe und bei klaren Sinnen dem Tourleben widmen konnte. Heute seien seine besten Tage und er danke Gott dafür. Ob das dessen Wirken war, oder wohl doch eher den Therapeuten in der Betty Ford-Klinik zuzuschreiben ist, sei mal dahingestellt. Wie auch immer, Glenns immense Produktivität und Kreativität zieht dem Sammler seiner Tondokumente wirklich noch den letzten lausigen Euro aus der Tasche. Jetzt hat er sogar noch eine Weihnachtslieder-CD rausgebracht. Wer soll das alles kaufen?
Glenn HughesAber zurück zum Konzertverlauf, 25 Jahre back to the roots in die besten Tage der Deep Purple Mk III. Mit "Might Just Take Your Life" wurde ein alter Purple-Klassiker neu belebt. JJ Marsh versteht es meisterlich, mit seinem unverbrauchten, frischen Gitarrenspiel diesen Oldtimern junges Leben einzuhauchen. Trotz Glenns stimmlichen Höchstleistungen vernachlässigt er aber auch keineswegs sein Bassgitarrenspiel. Dieses mal bediente er mit gewohnt traumwandlerischer Sicherheit und Souveränität ein fünfsaitiges Instrument und sorgte somit im Verbund mit Gary Fergusons unauffälligem, aber effizientem Drumming für eine solides rhythmisches Fundament. Immer wenn ich diese alten Mk III-Songs heutzutage zu hören bekomme, wünsche ich mir sehnlichst, doch noch einmal die Gelegenheit zu bekommen, diese in der unvergleichlichen Interpretation von Hughes und Coverdale live erleben zu dürfen. Wann endlich unternehmen die beiden hinsichtlich einer CD-Produktion mal wieder etwas gemeinsam, der Gedanke ist doch wohl naheliegend und brächte sicherlich auch frischen Wind in ihrer beiden Karrieren.
Nach Glenns inbrünstiger Purple-Reminiszenz sollte ein Hughes-Live-Klassiker aus den 80ern folgen, der alte Hughes & Thrall-Song "Muscles & Blood". Mit viel musikalischem Muskelspiel wurde dann auch dieses Highlight gebracht und sorgte für richtig Leben in der Hütte. Da man dank der Rock-Club-mäßigen Atmosphäre in der Halle ohne jegliche Probleme auch ganz nah an die Bühne herankam, konnte man die impulsive Spielfreude der Akteure auf der Bühne wirklich eindrucksvoll hautnah erleben.
Nun sollte ein unerwarteter Höhepunk des Abends folgen. Glenn sagte ihn an, in dem er darauf verwies, dass JJ Marsh zur Entstehungszeit des Songs gerade mal 2 Jahre jung war. Da wusste man natürlich sofort, was jetzt nur folgen konnte, nämlich ein alter Trapeze-Song. Und so folgte dann zwangsläufig auch einer der meiner Meinung nach besten Songs der frühen Trapeze, nämlich der Titletrack der 2ten LP "Medusa". Einfach nur genial, dieses Meisterwerk live erleben zu dürfen. Schade, dass Glenn mit den reformierten Trapeze während der 90er Jahre nicht in Deutschland aufgetreten ist. "Medusa" ist ein sehr getragenes, komplexes Werk, bei welchem sich der Einsatz von Orgel/Keyboards sehr gut gemacht hätte und welche hier eindeutig vermisst wurden. Von da an sollten wir in den 70ern verharren und uns dem großen Erbe der Deep Purple Mk. III bzw. Mk. IV widmen. Mit einem funkig-souligen Feuerwerk - Medley aus "Owed To G" und "Gettin Tighter" folgte die Erinnerung an die unvergessenen Tage mit Tommy Bolin. Bei diesem Stück ließen die drei Rocker so richtig die Funk-Sau raus und improvisierten munter drauf los, in dem sie das Grundgerüst der ursprünglichen Kompositionen mit diversen Zitaten und Einsprengseln aus allerlei Funk- und Soul-Stücken verzierten. Glenn und Joakim drehten so richtig auf und steigerten sich in einen wahren Spielrausch. Dieser Funke sprang natürlich auch auf die Fans über und mir war bereits zu diesem Zeitpunkt klar, dass UFO hier unmöglich noch einen draufsetzen konnten.
Leider ohne das bekannte Keyboard-Intro folgte dann zum Abschluss des regulären Sets das essentielle "You Keep On Moving". Einmal mehr sollte Glenn alle eventuell anwesenden Gesangsstudenten in abgrundtiefe Depressionen versetzen, erreichte er doch mit seiner Stimme Höhen, deren Frequenz die Weißbiergläser gleich reihenweise zum Bersten brachte.
Frenetisch wurde Glenn gefeiert, sichtbar war auch die Zufriedenheit der Musiker, die mit ihrer gelungenen Songauswahl offenbar alles richtig gemacht hatten. Gern würde ich aber auch einmal ein paar andere Songs live erleben, doch die Fülle des zur Verfügung stehenden Repertoires ist wohl zu umfangreich und die Pflichtstücke werden nun mal zwangsläufig vom Publikum gefordert. Als Support sind Zeit und Möglichkeiten ohnehin limitiert und Glenn tut wohl gut daran, auf Nummer Sicher zu gehen.
Nun war also das reguläre Set beendet und die Audience forderte natürlich vehement eine Zugabe. Die Jungs ließen uns dankenswerterweise auch nicht all zu lange warten und jedem Anwesenden war wohl klar, welcher unverzichtbare Song nun noch folgen musste. Natürlich brannte bei "Burn" die Luft und offenbar war dieser Song auch jedem bestens bekannt, so dass lauthals mitgegröhlt wurde. Das überraschende jedoch war, dass Glenn mitten im Song plötzlich das an dieser Stelle unerwartete "Mistreated" einflocht und diesen Song mit einer wiederum atemberaubenden Sangesleistung zum absoluten Gipfelpunkt des Abends werden ließ. Glenns Stimme wandelte sich vom Soulsänger zu einer kraftvollen, voluminösen Rockröhre und erinnerte an die allerbesten Interpretationen eines jungen unverbrauchten David Coverdale zu dessen Hochzeiten. Nach diesem "Mistreated"-Intermezzo fand der Song wieder zu "Burn" zurück und brachte es dadurch auf eine recht beachtliche Spielzeit, welche die zugestandene Zugabe komplett ausfüllte. Glenn Hughes und Kollegen wurden abermals gebührend gefeiert und Glenn gab sich in der folgenden Umbaupause auch noch die Ehre, diverses Merchandising zu signieren. Auch hierbei gab er sich sehr nahbar und pflegte umfänglichen Smalltalk mit den anwesenden Fans. Warum eigentlich vertreibt er die CD´s seines eigenen Labels nicht auf den Konzerten. Diese Teile übers Internet zu ordern und somit in harten Dollars zahlen zu müssen, ist beim momentanen Dollarkurs schon verdammt hart.
Wie auch immer, wir haben wieder einmal ein tolles Glenn Hughes-Konzert erlebt und hätten nun eigentlich nach Hause gehen können.
Aber das nun noch folgende UFO-Konzert sollte die Spitzenklasse des Hughes-Auftrittes um so deutlicher relativieren. UFO zockten eine routinierte- in des Wortes negativster Bedeutung-, inspirationslose und enttäuschende Show runter, die vielen, der eigentlich wegen UFO gekommenen Fans beweisen musste, dass Glenn Hughes definitiv der Bringer des Abends war. Ein gelangweilter Michael Schenker, ein unmotiviert herumhampelnder Pete Way und ein blasser Phil Mogg ließen verstehen, warum die Band nach nur 85 Minuten ihren regulären Set beendete. Schade, was ist nur aus dieser Band geworden? Aber lassen wir dies Sorge der UFO-Fanklubs, so es denn welche gibt, sein.

E-Mail Thomas Wehlt

pics: Snakebite (Glenn Hughes live in Leipzig, 7.11.2000)