von Thomas Wehlt
Binnen Jahresfrist bereits zum zweiten mal "The voice of Rock"
zu Gast in München, dieses mal in der erst seit kurzem für
Konzerte zur Verfügung stehenden Georg-Elser-Halle. In 1999
war Glenn mit der Anheizer-Rolle für die Michael Schenker-Group
und Thin Lizzy betraut, dieses mal nun also als Support für
UFO.
Seit Stunden höre ich nun die Glenn Hughes-Platten aus den
90er Jahren und bin immer wieder aufs neue von der verblüffenden
Stilvielfalt und der bemerkenswerten Variabilität seiner Stimme
beeindruckt. Ein Sänger dieses Qualitätslevels, mit diesem
rockhistorischen Background und diesen faszinierenden musikalischen
Möglichkeiten sollte doch eigentlich die qualitätsbewussten
Rockfans in Scharen anziehen und locker für gefüllte Hallen
sorgen. Leider war aber an diesem Abend die ohnehin recht kleine
Halle nur "sehr übersichtlich"
gefüllt, was allerdings andererseits wieder recht vorteilhaft
war im Interesse eines zügigen Erhaltes "bayerischer Hopfenkaltschale".
Vor Jahresfrist als opening act für Thin Lizzy sah das noch
ganz anders aus. Damals war die Halle voller ausgehungerter Lizzy-Fans,
welche allerdings auch Glenn Hughes hoch zu schätzen wussten.
Dieses mal hatten offenbar UFO keine ähnliche Zugkraft, nach
dem Konzert wusste ich aber auch den Grund dafür. Wie auch
immer, ich war natürlich wegen Glenn Hughes gekommen und hoffte
selbstverständlich auf ein geiles Konzert. Währenddessen
die unangekündigte erste Vorband namens "Moon' Doc"
um den ehemaligen Accept-Gitarristen Hermann Frank krampfhaft versuchte,
die reservierten und verwöhnten Münchner Rock-Fans aus
ihrer Lethargie zu reißen, hatte ich die Muse, noch einmal
die aktuelle Hughes-CD "Return Of Crystal Karma" zu rekapitulieren.
Die Songs auf der Platte sind so vielschichtig wie die zahlreichen
unterschiedlichen Outfits während seiner Karriere. So optisch
differenziert, wie er sich über die Jahre auf seinen Plattencovern
präsentiert hat, so multipel ist auch das breite Spektrum seiner
Musik. Wie ein Chamäleon changiert er zwischen Rock & Soul,
Blues & Jazz, Pop & Techno. Das erfordert die Fähigkeit,
eine Stimme zu besitzen, mit der man all dieses auch singen kann.
Und das Glenn diese Fähigkeiten besitzt, hat er nicht zuletzt
auch mit der neuen Platte wieder bewiesen, die obendrein noch von
den brillanten instrumentalen Möglichkeiten seiner altbewährten
Mitstreiter Joakim Marsh, Hans Zermüehlen und natürlich
insbesondere Gary Ferguson lebt. Leider muss ich aber auch bei der
neuen Platte für mein persönliches, subjektives Empfinden
eine nicht hinreichend ausgeschöpfte Klasse der kompositorischen
Substanz konstatieren. Manche der Kompositionen sind leider nur
Mittelklasse und nur der außerordentliche gesangliche Einsatz
Glenns kann retten, was sich retten lässt. Die Songs auf den
letzten Platten klingen mir teilweise einfach zu beliebig austauschbar,
es fehlen die prägnant einprägsamen Hooklines, die zündenden
Ideen, der letzte Kick. Gut, es gibt sicherlich keine Totalausfälle
zu verzeichnen und nach oftmaligem Hören gehen die Songs dann
auch recht gut ins Ohr, aber Glenns Potential ist nicht ausgeschöpft.
Nichtsdestotrotz ist Glenn Hughes live immer wieder eine Klasse
für sich und lässt dabei garantiert nix anbrennen.
Gegen 20.45 Uhr durfte er dann endlich auch die Katze aus dem Sack
lassen und enterte unter erfreulich stürmischen Applaus der
Anwesenden mit seinen Mannen die Bühne. Als sehr großes
Manko empfand ich das Fehlen von Hans Zermüehlen, dessen prima
Tastenarbeit während der letzten Konzerte immer für einen
vollen Sound und interessante Variationen sorgte, man denke nur
an das phantastische E-Piano-Solo in "Coast To Coast"
auf der "Live In South America"-CD. So musste man sich
also mit dem Basis-Rock-Instrumentarium zufrieden geben, was andererseits
allerdings auch für eine sehr druckvolle, aufs wesentliche
beschränkte Performance sorgte. Mit JJ Marsh und dem alten
Haudegen und langjährigen Wegbegleiter Gary Ferguson, welcher
übrigens in München mittels einer übergezogenen "Wollsocke"
sein lichtes Haupthaar zu verdecken versuchte, präsentierte
sich ein bewährtes und eingespieltes Lineup. Glenn eröffnete
das Konzert exakt so wie die aktuelle CD, nämlich mit dem expressiven
"The State I´m In" und gleich anschließend
nicht minder mitreißend mit "Midnight Meditated".
Das überraschte mich schon etwas, dass er dem Publikum, welches,
so nehme ich mal an, wohl eher wegen UFO gekommen war und somit
mit den neuesten Hughes-Kreationen wohl nicht so vertraut war, gleich
unbekanntes und brandneues Material um die Ohren knallte. Aber bemerkenswerterweise
war gleich zu Beginn eine Klassestimmung in der Halle und die Leute
gingen sofort gut mit und ließen die Frage erwachsen, wer
denn da wohl eigentlich der Headliner des Abends sei. Gibt es überhaupt
jemals einen Tag, an dem Glenn nicht allerbestens bei Stimme ist
und die Oktaven überschreitende Breite seines Gesanges nicht
zu 100% rüberbringen kann? Ich persönlich habe dies jedenfalls
noch nicht erlebt und auch an diesem Abend war es wieder schier
unglaublich, die tiefsten Tiefen und die höchsten Höhen
von diesem Sangesakrobaten zu hören. Glenns Stimme würde
locker für ein Dutzend weiterer Möchtegern-Sangeskünstler
reichen, welche aber paradoxerweise häufig ungleich mehr kommerziellen
Erfolg für sich verbuchen können. Die Jungs waren super
gut drauf und agierten mit sicht- und hörbarem Elan. Nach diesen
beiden Openern begann, wie nicht anders zu erwarten, eine Zeitreise
zurück in die reichhaltige Vergangenheit des Mr. Hughes. Zwischen
den Songs kommunizierte er auch immer wieder mit den Fans, kommentierte
die Perioden seiner Karriere und zeigte sich sehr gesprächig.
So erzählte er z.B., dass er während der letzten 20 Jahre
bis 1998 nicht einmal in München war und nun binnen zweier
Jahre schon das vierte mal hier sei und das München für
ihn natürlich "the best town in Germany" ist. Außerdem
hätte man wohl letztens zu ihm gesagt: "Glenn Hughes,
ja super, klasse Sänger, aber seine besten Tage lägen
längst hinter ihm", womit ganz sicher die 70er Jahre gemeint
waren. Er erwiderte: Die besten Tage? Ständig im Alkohol- und
Drogensumpf gefangen, ewig Trouble mit einem profilneurotischen
Gitarristen und der Tod seines besten Freundes Tommy Bolin. Nein,
das waren bestimmt nicht seine besten Tage. Die besten Tage hatte
er während der letzten 10 Jahre in den 90er Jahren, als er
endlich den schier bodenlosen Drogensumpf hinter sich lassen, mit
vielen Freunden langgehegte musikalische Wünsche verwirklichen
und sich endlich wieder mit Hingabe und bei klaren Sinnen dem Tourleben
widmen konnte. Heute seien seine besten Tage und er danke Gott dafür.
Ob das dessen Wirken war, oder wohl doch eher den Therapeuten in
der Betty Ford-Klinik zuzuschreiben ist, sei mal dahingestellt.
Wie auch immer, Glenns immense Produktivität und Kreativität
zieht dem Sammler seiner Tondokumente wirklich noch den letzten
lausigen Euro aus der Tasche. Jetzt hat er sogar noch eine Weihnachtslieder-CD
rausgebracht. Wer soll das alles kaufen?
Aber
zurück zum Konzertverlauf, 25 Jahre back to the roots in die
besten Tage der Deep Purple Mk III. Mit "Might Just Take Your
Life" wurde ein alter Purple-Klassiker neu belebt. JJ Marsh
versteht es meisterlich, mit seinem unverbrauchten, frischen Gitarrenspiel
diesen Oldtimern junges Leben einzuhauchen. Trotz Glenns stimmlichen
Höchstleistungen vernachlässigt er aber auch keineswegs
sein Bassgitarrenspiel. Dieses mal bediente er mit gewohnt traumwandlerischer
Sicherheit und Souveränität ein fünfsaitiges Instrument
und sorgte somit im Verbund mit Gary Fergusons unauffälligem,
aber effizientem Drumming für eine solides rhythmisches Fundament.
Immer wenn ich diese alten Mk III-Songs heutzutage zu hören
bekomme, wünsche ich mir sehnlichst, doch noch einmal die Gelegenheit
zu bekommen, diese in der unvergleichlichen Interpretation von Hughes
und Coverdale live erleben zu dürfen. Wann endlich unternehmen
die beiden hinsichtlich einer CD-Produktion mal wieder etwas gemeinsam,
der Gedanke ist doch wohl naheliegend und brächte sicherlich
auch frischen Wind in ihrer beiden Karrieren.
Nach Glenns inbrünstiger Purple-Reminiszenz sollte ein Hughes-Live-Klassiker
aus den 80ern folgen, der alte Hughes & Thrall-Song "Muscles
& Blood". Mit viel musikalischem Muskelspiel wurde dann
auch dieses Highlight gebracht und sorgte für richtig Leben
in der Hütte. Da man dank der Rock-Club-mäßigen
Atmosphäre in der Halle ohne jegliche Probleme auch ganz nah
an die Bühne herankam, konnte man die impulsive Spielfreude
der Akteure auf der Bühne wirklich eindrucksvoll hautnah erleben.
Nun sollte ein unerwarteter Höhepunk des Abends folgen. Glenn
sagte ihn an, in dem er darauf verwies, dass JJ Marsh zur Entstehungszeit
des Songs gerade mal 2 Jahre jung war. Da wusste man natürlich
sofort, was jetzt nur folgen konnte, nämlich ein alter Trapeze-Song.
Und so folgte dann zwangsläufig auch einer der meiner Meinung
nach besten Songs der frühen Trapeze, nämlich der Titletrack
der 2ten LP "Medusa". Einfach nur genial, dieses Meisterwerk
live erleben zu dürfen. Schade, dass Glenn mit den reformierten
Trapeze während der 90er Jahre nicht in Deutschland aufgetreten
ist. "Medusa" ist ein sehr getragenes, komplexes Werk,
bei welchem sich der Einsatz von Orgel/Keyboards sehr gut gemacht
hätte und welche hier eindeutig vermisst wurden. Von da an
sollten wir in den 70ern verharren und uns dem großen Erbe
der Deep Purple Mk. III bzw. Mk. IV widmen. Mit einem funkig-souligen
Feuerwerk - Medley aus "Owed To G" und "Gettin Tighter"
folgte die Erinnerung an die unvergessenen Tage mit Tommy Bolin.
Bei diesem Stück ließen die drei Rocker so richtig die
Funk-Sau raus und improvisierten munter drauf los, in dem sie das
Grundgerüst der ursprünglichen Kompositionen mit diversen
Zitaten und Einsprengseln aus allerlei Funk- und Soul-Stücken
verzierten. Glenn und Joakim drehten so richtig auf und steigerten
sich in einen wahren Spielrausch. Dieser Funke sprang natürlich
auch auf die Fans über und mir war bereits zu diesem Zeitpunkt
klar, dass UFO hier unmöglich noch einen draufsetzen konnten.
Leider ohne das bekannte Keyboard-Intro folgte dann zum Abschluss
des regulären Sets das essentielle "You Keep On Moving".
Einmal mehr sollte Glenn alle eventuell anwesenden Gesangsstudenten
in abgrundtiefe Depressionen versetzen, erreichte er doch mit seiner
Stimme Höhen, deren Frequenz die Weißbiergläser
gleich reihenweise zum Bersten brachte.
Frenetisch wurde Glenn gefeiert, sichtbar war auch die Zufriedenheit
der Musiker, die mit ihrer gelungenen Songauswahl offenbar alles
richtig gemacht hatten. Gern würde ich aber auch einmal ein
paar andere Songs live erleben, doch die Fülle des zur Verfügung
stehenden Repertoires ist wohl zu umfangreich und die Pflichtstücke
werden nun mal zwangsläufig vom Publikum gefordert. Als Support
sind Zeit und Möglichkeiten ohnehin limitiert und Glenn tut
wohl gut daran, auf Nummer Sicher zu gehen.
Nun war also das reguläre Set beendet und die Audience forderte
natürlich vehement eine Zugabe. Die Jungs ließen uns
dankenswerterweise auch nicht all zu lange warten und jedem Anwesenden
war wohl klar, welcher unverzichtbare Song nun noch folgen musste.
Natürlich brannte bei "Burn" die Luft und offenbar
war dieser Song auch jedem bestens bekannt, so dass lauthals mitgegröhlt
wurde. Das überraschende jedoch war, dass Glenn mitten im Song
plötzlich das an dieser Stelle unerwartete "Mistreated"
einflocht und diesen Song mit einer wiederum atemberaubenden Sangesleistung
zum absoluten Gipfelpunkt des Abends werden ließ. Glenns Stimme
wandelte sich vom Soulsänger zu einer kraftvollen, voluminösen
Rockröhre und erinnerte an die allerbesten Interpretationen
eines jungen unverbrauchten David Coverdale zu dessen Hochzeiten.
Nach diesem "Mistreated"-Intermezzo fand der Song wieder
zu "Burn" zurück und brachte es dadurch auf eine
recht beachtliche Spielzeit, welche die zugestandene Zugabe komplett
ausfüllte. Glenn Hughes und Kollegen wurden abermals gebührend
gefeiert und Glenn gab sich in der folgenden Umbaupause auch noch
die Ehre, diverses Merchandising zu signieren. Auch hierbei gab
er sich sehr nahbar und pflegte umfänglichen Smalltalk mit
den anwesenden Fans. Warum eigentlich vertreibt er die CD´s
seines eigenen Labels nicht auf den Konzerten. Diese Teile übers
Internet zu ordern und somit in harten Dollars zahlen zu müssen,
ist beim momentanen Dollarkurs schon verdammt hart.
Wie auch immer, wir haben wieder einmal ein tolles Glenn Hughes-Konzert
erlebt und hätten nun eigentlich nach Hause gehen können.
Aber das nun noch folgende UFO-Konzert sollte die Spitzenklasse
des Hughes-Auftrittes um so deutlicher relativieren. UFO zockten
eine routinierte- in des Wortes negativster Bedeutung-, inspirationslose
und enttäuschende Show runter, die vielen, der eigentlich wegen
UFO gekommenen Fans beweisen musste, dass Glenn Hughes definitiv
der Bringer des Abends war. Ein gelangweilter Michael Schenker,
ein unmotiviert herumhampelnder Pete Way und ein blasser Phil Mogg
ließen verstehen, warum die Band nach nur 85 Minuten ihren
regulären Set beendete. Schade, was ist nur aus dieser Band
geworden? Aber lassen wir dies Sorge der UFO-Fanklubs, so es denn
welche gibt, sein.
E-Mail
Thomas Wehlt
pics: Snakebite (Glenn Hughes live in Leipzig, 7.11.2000)
|