von Lars Wehmeyer
"Glenn Hughes Acoustic Set" - "An Evening with
Glenn Hughes" - "Unplugged" - obwohl diese
Ankündigungen nicht so ganz das trafen, was ich normalerweise mit
Glenn Hughes in Verbindung bringe, erinnerte ich mich doch noch an
das einige Jahre zurückliegende Hughes-Turner-Konzert in der Zeche in
Bochum und meinen damals gefassten Entschluss, Glenn Hughes noch
einmal live erleben zu wollen.
Zunächst war vor dem Dortmunder Domicil aber Geduld angesagt:
schon an den Außentüren hingen ausgedruckte Zettel, die
eine Verschiebung des Konzertes wegen eines verspäteten
Fluges ankündigten - wenigstens wussten wir so gleich
Bescheid und konnten noch eine Runde um den Block laufen, um die
Vorfreude noch etwas zu steigern. Gegen 20 Uhr begaben wir uns
dann zuerst in den Club, in dem häufiger Jam-Session und
kleinere Veranstaltungen stattfinden.
Um kurz nach 21 Uhr wurden dann die Türen geöffnet und
wir konnten sehr gute Plätze in der dritten Reihe ergattern -
obwohl die übersichtliche Größe des Saals
dafür sorgte, dass es eigentlich keine schlechten Plätze
gab.
Nach kurzem rhytmischen Aufmunterungsklatschen betraten dann de
beiden Akteure des Abends die Bühne: Anders Olinder, seines
Zeichens Pianist und Keyboarder in Glenns aktueller
Band-Besetzung, sowie natürlich Glenn Hughes - beide ganz
unspektakulär in Jeans und T-Shirt, was neben dem kleinen
Saal den Eindruck, Glenn Hughes "zum Anfassen" zu haben,
noch verstärkte.
Der erste Song, "Coast to Coast" zeigt, worauf man sich
an diesem Abend einzustellen hatte: Anders spielt auf dem
Flügel, Glenn Hughes spielt Gitarre und singt genau so, wie
man das von ihm erwartet: in Sekundenbruchteilen wechselt er von
tiefen in höchste Lagen, schreit scheinbar mühelos, aber
immer zur Musik passend Töne heraus, bei denen man sich
unwillkürlich fragt, wo genau die jetzt gerade herkamen. Auf
der anderen Seite stehen sehr gefühlvolle Passagen, so dass
immer eine ganz besondere, individuelle Interpretation der Songs
herauskommt.
Als dritter Song folgt der erste wirkliche Höhepunkt für
Deep Purple-Fans: Glenn Hughes sagt einen Song an, den eigentlich
David gesungen hätte, aber er hat ihn gefragt, und er singt
ihn nicht mehr, darum spielt er jetzt "Mistreated". Mit
Untertützung des Publikums gelingt ihm eine beeindruckende
akustische Version dieses DP-Klassikers.
Nach dem Song kommt Glenn noch einmal kurz auf seinen ehemaligen
Bandkollegen David Coverdale zu sprechen - und parodiert auf
liebevolle Weise, wie er zu Beginn ihrer Zusammenarbeit sprach und
sich bewegte - "he's from Yorkshire, you know".
Das nächste Deep Purple-Highlight ist "Sail Away"
vom "Burn"-Album. Danach wechselt er zu Songs von seinem
aktuellen Album "First Undergrond Nuclear Kitchen"
(kurz: FUNK) und wünscht sich die guten alten Zeiten
zurück, als die Bandmitglieder noch selber langwierig auf der
Bühne ihre Instrumente stimmen mussten (so wie er selber an
diesem Abend).
Nach "This Time Around", einem Song, auf den die
reichlich vetretenen DP-Fans sicher auch gewartet haben, folgt
"Sea Full", bei dem ihm eine Saite reißt. Er
signalisiert seinem Pianisten, dass es trotzdem weiter geht und
spielt den Song mit leicht scheppernder A-Saite weiter - immerhin
ist er als Bassist sowieso weniger Saiten gewohnt...
Während sein Tontechniker eine neue Saite aufzieht,
beantwortet Glenn Fragen aus dem Publikum - er fände eine MK
III-Reunion von Deep Purple "phantastisch für die
Fans", aber es klang doch recht deutlich mit, dass er die
ganze Sache für nicht sehr wahrscheinich hält. Er sieht
sich selbst als Vermittler, der aber wohl die anderen
Bandmitglieder nicht dazu überreden könnte, noch einmal
gemeinsam für einen Fesival-Gig auf die Bühne zu
gehen. Auf die Frage nach "Child In Time" antwortet
Glenn, dass er diesen Song nicht mehr singen möchte (obwohl
er es könnte), weil das einfach nicht "sein" Song
ist. Er habe sich auch bei Deep Purple nicht richtig
wohlgefühlt, wenn er mit David Coverdale beispielsweise
"Space Truckin'" gesungen hat - genauso wie der aktuelle
DP-Sänger singt auch er lieber die Songs, die er
mitgeschrieben hat.
Als die Gitarre dann wieder vollständig bespielbar ist, folgt
noch "Holy Man" und als Zugabe, nach einigem
ausdauernden Klatschen, das erhoffte "You Keep On
Moving". Nach dieser Zugabe ist allerdings dan auch
endgültig Schluss, was uns die aufflammende Saalbeleuchtung
deutlich macht. Allerdings stellte sich Glenn nach der Show noch
seinen Fans, gab Autogramme und beantwortete neben dem
Bühnenaufgang Fragen.
Alles in allem war es ein sehr gelungener und runder Abend, mit
mehr bekannten Deep Purple-Songs als ich ursprünglich
erwartet hätte - ich war also positiv überrascht. Wieder
einmal hat Glenn Hughes, diesmal auf ganz andere Art und Weise,
einen ganz besonderen Eindruck auf mich hinterlassen - er hat eine
riesige Ausstrahlung und eine (nach all den Jahren immer noch)
grandiose Stimme. Der Veranstaltungsort passte wunderbar zu diesem
Konzert, bei dem man das Gefühl hatte, Glenn Hughes wirklich
hautnah kennenzulernen.
Setliste (ohne Gewähr auf Korrektheit und/oder Vollständigkeit):
Coast to Coast
Night In White Satin
I Found A Woman
Mistreated
It's About Time
Will Our Love End
Sail Away
Imperfection
Satellite
This Time Around
Sea Full
Holy Man
Zugabe:
You Keep On Moving
Fotos und Text: Lars Wehmeyer
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