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Jon Lord - Live 2009
Kreuzeiche-Stadion, Reutlingen, 24.07.2009

von Gerhard Stahr

Jon Lord in Reutlingen 2009

Ein außergewöhnliches Open Air Concerto eröffnete am 24. Juli 2009 das Wochenende "Baden-Württemberg musiziert" im Reutlinger Kreuzeiche-Stadion. Höhepunkte aus 40 Jahren Crossover von Rock über Jazz und Pop bis Hip Hop - und als Top Act Jon Lord.

Das Wetter stimmt: Ein herrlicher Abend wie er in Deutschland auch im Sommer keinesfalls garantiert werden kann, eine Hammond B 3 auf der Bühne und Jon Lord - letzterer in allen Medien der Region seit Wochen als Zugpferd angekündigt - verheißen ein Event der Extraklasse. Direkt gegenüber der Haupttribüne des Fußballstadions steht die Open-Air-Bühne, die vor dieser Kulisse klein wirkt und dennoch Raum bietet für das Symphonie-Orchester der Würtembergischen Philharmonie, für die Bühnenanlage der 12 jungen Studierenden der Popakademie Baden-Württemberg und für den Yamaha-Konzertflügel und die B 3 mit Leslie 122 von Jon Lord.

Zunächst erklingen ab 21.00 Uhr Rockklassiker, wie "Riders On The Storm" von den Doors, wie man sie selten hört, nämlich im philharmonischen Gewand, dargeboten von den Musikern der Popakademie Mannheim. Die Uraufführung des Rock-Concertos von Prof. Benjamin Köthe kommt gewaltig und erinnert stellenweise an zeitgenössische Filmmusik. Es dunkelt, als Johanna Zeul, in der NDW der 1980er hängen geblieben, 3 eigene Lieder vorstellt und damit den Tiefpunkt des Abends markiert. Indes bewegt sich unmerklich eine schwarz gekleidete Gestalt Richtung Bühne, verschwindet zunächst dahinter und steht einige Zeit später rechts davon einsam auf dem Fußballrasen, wie einst Kaiser Franz in Rom, während auf Bühne und Tribüne die Stimmung sinkt. Und als endlich der 1. Satz von Jon Lords "Concerto For Group And Orchestra" angekündigt wird, klettert die schwarze Gestalt auf die Bühne und setzt sich an die Hammondorgel. Erst nach dem langen Intro steht Jon Lord wie gewohnt an der Orgel, deren Sound eher symphonisch-sakral als rockig-röhrend daherkommt. Fast genau auf den Tag 40 Jahre sind vergangen, seit diese Komposition erstmals in der Royal Albert Hall zu London erklang und Ermüdungserscheinungen sind bei Lord trotz seiner 68 Lenze nicht auszumachen. Lord lebt auf, genießt sein klassisches Konzert mehr denn je, hat er doch den Absprung von Deep Purple 2002 in Ehren geschafft, veröffentlicht eine CD nach der anderen, während die DP-Altrocker derzeit wohl keinen Plattenvertrag mehr haben.

Lord, Ausnahmeerscheinung mit unnachahmlichem Stil, agiert mit all seiner Erfahrung, versetzt die 2300 Fans in Entzückung. An den 1. Satz des Concertos schließt sich die balladeske Lord-Pianokomposition "Wait A While", einst von Sam Brown gesungen, an. Die Popakademikerin Lisa Maria Neumann bleibt gesanglich so nahe am Vorbild, dass dies auch schon der einzige Vorwurf wäre, der ihr gemacht werden könnte. Ein rundum zufriedenes Publikum entlässt die Musizierenden in die verdiente Pause.

15 Minuten später bringt zunächst Heinz Rudolf Kunze seinen Herz-Schmerz-Gassenhauer, bevor das Lordsche Telemann-Experiment durch- bzw. aufgeführt wird. Jon Lord jetzt als Pianist - und er hat sichtlich Spaß daran. Die ursprüngliche Idee zu dieser Melange aus schwedischer Folkmusik, deutschem Barock und Rock-Jazz im Orchestergewand kam Lord noch zu Deep-Purpe-Zeiten, als er in einem Plattenladen auf eine Telemann-Aufnahme stieß, der Tournee-Stress ihm jedoch keine Zeit ließ, seine Vorstellungen umzusetzen. In der Post-Purple-Phase kann Lord nun seine Klassik kompromisslos ausleben - und muss auf den purpurnen Rock dennoch nicht verzichten: Im abschließenden DP-Medley wechselt er noch einmal an die Hammond B 3, um gemeinsam mit Popakademie und Württembergischer Philharmonie unter Stabführung von Prof. Bernd Ruf alle Register zu ziehen. Von "Hush" über die seit Jahrzehnten nicht mehr im DP-Live-Programm befindlichen Klassiker "Burn" und "Child In Time" bis hin zu "! Black Night" und "Smoke On The Water" reicht das geniale Purple-Potpourri - um mit Louis Armstrong zu sprechen: What A Wonderful World!

Das glückliche Publikum singt lauthals mit, um schlussendlich den Maestro mit stehenden Ovationen zu verabschieden. Der entschwindet umjubelt in die Katakomben, während den formidablen Performern der Popakademie - eben noch gemeinsam mit den Stars auf den Brettern, die die Welt bedeuten - nur mehr die Rolle der Roadies zufällt.