von Monika Schwarz
"Wir sehen uns in Siegen" - das ist das Versprechen,
das ich mir selber nach dem wundervollen Jon Lord-Konzert in
Reutlingen vor ein paar Wochen gegeben hatte.
Mit den Tickets in der Tasche und dem Hotelzimmer gebucht
machten wir uns an einem grauen und bewölkten Freitag
Morgen auf den Weg. Nordwärts, immer nordwärts bis wir
nach einer 6stündigen Autofahrt in Siegen ankamen. Nur um
zu erfahren, dass das Hotel keine Reservierung auf meinen Namen
hatte. Zum Glück ist der Oktober nicht der
allergeschäftigste Monat, also gab es noch genügend
Zimmer und wir konnten unser Gepäck ausladen.
Nach 6 Stunden Sitzen im Auto fühlten wir ein gewisses
Bedürfnis nach Bewegung, also entschieden wir uns, einen
Spaziergang zur Halle zu machen und uns alles anzusehen und
vielleicht etwas von den Proben oder dem Soundcheck zu
erhaschen. Bezüglich Musik hatten wir Pech, aber in anderer
Hinsicht hatten wir großes Glück: Wir trafen Bernd
Martin, den Sänger von Demon's Eye, der freundlich genug
war, eine Weile mit uns zu plaudern, mein Ticket zu signieren
und für ein Foto zu posieren, und danach kam auch noch
Andreas König, der Keyboardspieler der Band, dazu, der
ebenso nett zu uns war.
Lustig wie beide ziemlich überrascht schienen über
meine Bitte nach einem Autogramm. Immerhin, ohne sie wäre
da später eine gewisse Leere auf der Bühne gewesen,
und wahrscheinlich wäre dem "Concerto" auch etwas
abgegangen ;-) .
Dann kam der Abend, wir betraten die Halle, fanden unsere
Plätze (2. Reihe, direkt vor Jons Hammond) und genossen das
Gefühl der Erwartung vor einer Show. Als die Lichter
ausgingen, kam zuerst das Orchester, dann die Band und als
Letzter von allen Jon Lord auf die Bühne, alle zu einem
großen Applaus.
Jon machte - wie meistens - die Ansagen, in seiner üblichen
charmanten und humorvollen Art wie nur er es kann. Er
erzählte uns ein paar Worte über sein
"Baby", das "Concerto for Group and
Orchestra", das wir während des ersten Teiles des
Konzerts erleben sollten.
Und dann die ersten Töne. Es schien als ob das Orchester
das Erste Movement etwas langsamer spielen würde als es bei
den anderen Aufführungen, die ich bisher gehört habe
der Fall war, was ziemlich gut war, da es mehr Zeit zum
Genießen gab.
Sein Spiel war generell sehr präzise und mit viel Sorgfalt
- ich hatte den Eindruck als ob sie wirklich begeistert
über diesen Abend waren. Dasselbe galt für den
Dirigenten, der alles unter Kontrolle hatte - sogar die Band,
zumindest so lange sie mit dem Orchester spielte.
Der wahre Höhepunkt dieses ersten Teils des Abends war -
wie immer - das Zweite Movement. Diese Momente von musikalischem
Verständnis zwischen Band und Orchester, die stille und
beinahe spielerische Überleitung zur ersten Gesangsstrophe,
all das rührte mich zu Tränen, und ich schäme
mich nicht das zu sagen. Und was für eine wundervolle
Ergänzung die dritte Strophe ist! Dieses kurze Stück
bringt nach meiner bescheidenen Meinung das Movement zur
Perfektion.
Nach einer Pause von 30 Minuten ging das Konzert mit
"Pictures Of Home" weiter, wieder angekündigt als
ein Song über einen Kater (irgendwann einmal muss ich die
Geschichte dahinter erfahren.) (lw: Jon sprach von einem
"hangover", also ein Kater im übertragenen Sinne),
gefolgt von "The Sun Will Shine Again", gesungen von
der lieblichen und sehr talentierten Kasia Laska. Dann war es
wieder Zeit für ein lebhafteres Stück, die
"Bourrée" vom Album "Sarabande".
Die Einführung zum nächsten Stück, "Pictured
Within" war ebenfalls sehr bewegend, da Jon Lord dem
Publikum erzählte dass er beinahe sein "Mojo" als
Komponist verloren hätte, es aber wiedergefunden hätte
mit der Schaffung des gleichnamigen Albums. Aber nicht viel Zeit
für Sentimentalität, "The Telemann
Experiment" hob die Stimmung wieder, und ich bin absolut
sicher dass Georg Philipp Telemann irgendwo im Himmel wiederum
lächelte.
"Wait A While" ist für mich das Glanzstück
für Kasia Laska, wo sie demonstriert wie bewegend dieser
Song interpretiert werden kann.
"Gigue", wieder vom "Sarabande" Album,
beschloss die reguläre Setlist dieser Nacht. Stehende
Ovationen - beinahe ein regelmäßiges Charakteristikum
bei Jon Lords Konzerten, und außerdem überaus
verdient - begleitete die Protagonisten auf ihrem Weg hinunter
von der Bühne.
Es dauerte nicht lange und alle kamen zurück für die
Zugaben, und zu meinem großen Vergnügen war die erste
von ihnen "Soldier Of Fortune", ein Song den ich,
glaube ich, niemals zuvor live gehört habe.
Und dann das "Grande Finale" - "Child In
Time"! Wieder war es Zeit für Gänsehaut, und die
Band klang so ähnlich zum Original, und Jon Lord hatte
offensichtlich Spaß, ebenso wie das Orchester und das
Publikum. Die zwei Sänger, Kasia Laska und Bernd Martin,
teilten sich den Gesang, was für uns irgendwie
überraschend war, da wir beide der Meinung waren dass Bernd
Martin sicherlich sogar die dritte Oktave hätte bringen
können - zumindest dem zu folgen, was er an
"Schreien" in Songs zuvor geboten hatte.
Da ich die Band erwähne - sie war die wirkliche
Überraschung für mich in dieser Nacht. Ich meine,
natürlich hatte ich ein paar Mal von ihnen gehört,
aber nichts hätte mich auf das vorbereiten können, was
ich erleben sollte. Der Sänger war exzellent, ebenso wie
der Bassist.
Natürlich hörten wir nicht allzu viel vom Keyboard
Spieler, aber der Schlagzeuger war wahrhaft herausragend und
sogar noch mehr der Gitarrist. Demon's Eye legen Wert darauf,
dass ihr Sound so ähnlich zu Deep Purple in den Siebzigern
ist wie möglich, was bedeutet dass sie sogar die gleiche
Ausrüstung verwenden.
Aber Mark Zyk, der Gitarrist, verwendete nicht nur die
Ausrüstung, er klang beinahe erschreckend wie Ritchie
Blackmore, und er imitierte sogar seine Bühnenposen. Sein
Solo während "Child In Time" hätte direkt
von einer Originalaufnahme kommen können.
Was mich zurück zu Jon Lord bringt. Was kann ich sagen, das
nicht schon so viele Male gesagt wurde? Dass sein Spiel brillant
war, bewegend, inspiriert (und inspirierend, obwohl ich selber
gar kein Instrument spiele), dass er es irgendwie schafft, immer
wieder neue und noch nie gehörte Soli zu spielen, dass er
seine Liebe zur Musik mit jeder Berührung der Tasten
demonstriert, mögen es die der Hammond oder die des
Flügels sein? All das, aber es ist noch immer nur eine
Facette des Ganzen.
Meiner Meinung nach haben wir das große Glück, einen
der brillantesten Komponisten unserer Zeit am Werk zu erleben,
ein wahres Genie und einen wunderbaren Mann. Möge dieses
Vergnügen lange dauern!
Setlist:
Concerto For Group and Orchestra - Movement I
Concerto For Group and Orchestra - Movement II
Concerto For Group and Orchestra - Movement III
Pause
Pictures of Home
The Sun Will Shine Again
Bourée
Pictured Within
The Teleman Experiment
Wait A While
Gigue
Zugaben
Soldier Of Fortune
Child In Time
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