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Ian Gillan Solo
Osteuropa, November 2016

von Wolfram Reeg

Im November 2016 tourte Ian Gillan solo quer durch Osteuropa, vom Balkan bis zum Baltikum.

"Solo" trifft es dabei nicht ganz, zusammen mit Don Airey standen immerhin 2 Fünftel der aktuellen Deep-Purple-Formation auf der Bühne. Dazu die Musiker der Don-Airey-Band (mit denen der Keyboarder in den letzten Jahren schon einige Clubtouren gespielt hat) und ein örtliches Sinfonieorchester, in Warschau war es das Orkiestra Akademii Beethovenowskiej.

Als Backgroundchor waren Gillans Tochter Grace (die mit Ihrer Band Papa Le Gal auch den Supportact gab) , Jacques Verhaeren und Amanda Somerville mit on stage. Das Konzert war relativ kurzfristig in eine relativ kleine Halle, eher schon einen Klub, namens "Progresja", verlegt worden (die vorherigen Konzerte der Tour hatten alle in großen Sälen, z.T. Konzertpalästen stattgefunden), was ein besonders intensives Erlebnis versprach. Und das sollte es werden!

Nach dem orchestralen Intro (Dirigent: Stephen Bentley-Klein, dem geneigten Fan aus vergangenen Auftritten mit DP und klassischer Verstärkung kein Unbekannter) startet ein gut aufgelegter Ian Gillan mit einem Griff in die Toolbox: Hang Me Out To Dry.

Für mich ist die Situation erstmal ungewohnt. Wenn ich Konzerte besuche, stehen zumeist 5 Mann auf der Bühne. Jetzt weiß ich nicht, wo ich zuerst hinhören und -sehen soll. Der Chor singt und grooved ausgelassen von Anbeginn und liefert weit mehr als nur gefälligen Background und das überdurchschnittlich jung besetzte Orchester spielt mit sichtlicher Freude. Gitarrist Simon McBride und Schlagzeuger Jon Finnegan geben die "Jungen Wilden", Lawrence Cottle am Bass eher den Ruhepol der Band.

In der äußerst kurzweiligen Setlist vereint Gillan DP-Klassiker aus den frühen 70ern, Stücke aus seiner Solokarriere und selten live gespielte Songs aus der Morse-Ära. Offensichtlich liebt er Razzle Dazzle genauso wie Strange Kind Of Woman, Rapture Of The Deep und When A Blind Man Cries.

Multitalent Bentley-Klein beginnt "Lazy" mit einem Violinsolo, nach den Keyboards steigt der Gitarrist ein, Gillan tanzt vergnügt, bis er sich mit der Bluesharp hinzugesellt. Dann steht Grace Gillan im Scheinwerferlicht, zunächst für ein äußerst sympathisch mit dem Dad vorgetragenes "You Gonna Ruin Me Baby", dem sich ihr Solostück "Candy Floss" anschließt, mit wirklich eindrucksvoller Stimme!

Unmittelbar danach folgt mein Highlight des Abends: "No More Cane On The Brazos", dem der Chor besonders eindrucksvoll seinen Stempel aufdrückt. Jetzt kündigt Gillan ein Stück "der Herren Airey, Beethoven und Blackmore" an und das Orchester läuft bei "Difficult To Cure" mit Wucht zu Höchstform auf. Don Airey (sympathisch und virtuos wie immer) liefert sich im Laufe des Abends reichlich Duelle mit dem Gitarristen.

Aus einem Trompetensolo des Dirigenten wird ein Battle mit Aireys Orgel, der dann in Anya, "einen seiner Lieblingssongs" (Gillan) mündet. Nach rund zwei Stunden, die wie wie im Rausch vergingen, endet die Show mit "Smoke On The Water" und "Black Night", letzteres mit ausgelassenem Sing-a-long des begeisterten Publikums und einmal mehr Don Airey im Mittelpunkt.

Fazit: das war ein absolut einmaliges, unvergeßliches Erlebnis, kreiert von Musikern unterschiedlichster Herkunft, die für einen Abend der gemeinsame Spaß an der Sache verband .

Unbedingt hervorzuheben ist Ian Gillan, der auch am letzten Abend der Tour für ein relativ kleines Auditorium alles gegeben hat. Und der jenseits der 70 immer noch dieses Timbre in der Stimme hat, was sie für mich so einzigartig macht.

Wer mal schauen möchte: das komplette Warschau-Konzert findet sich auf youtube, ebenso etliche Ausschnitte weiterer Konzerte der Tour. Im Kremlpalast Moskau deuten einige professionelle Kameras auf einen Mitschnitt hin, ich konnte dazu allerdings bislang keinen weiteren Hinweis finden.