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von Andree Schneider
Diese Band ist einfach unglaublich! Da verlieren sie mit
Jon Lord den Maestro der Tasten schlechthin und hauen uns
dann trotzdem ein richtiges Klasse-Album um die Rock`n`Roll-geplagten
Ohren. Das erste Deep Purple-Studiowerk im 21. Jahrhundert
ist wirklich ausgesprochen gelungen! Ich habe "Bananas"
nun schon bestimmt an die 15 Mal gehört und kann immer
noch nicht genug davon kriegen.
Zum ersten Mal seit langer Zeit haben die Fünf wieder
mit einem Produzenten von außerhalb zusammen gearbeitet,
was sich ganz offenbar ausgezahlt hat, denn die Band klingt
wie aus einem Guss. Keine Angst - wenn die Stilvielfalt auf
"Bananas" auch erstaunlich ist, so besteht dennoch
vom ersten bis zum letzten Ton nie ein Zweifel daran, dass
hier Deep Purple am Werk sind. Auf den typischen Bandsound
hat der Produzentenwechsel keine große Auswirkung gehabt.
Zwar klingt "Bananas" moderner als die beiden letzten
Alben, was in erster Linie auf einige ungewöhnliche Keyboardsounds
und Gesangseffekte zurückzuführen ist, aber trotz
allem gilt: Die Orgel röhrt, der Bass donnert, das Schlagzeug
groovt, die Gitarre schmettert und über allem liegt die
unvergleichliche Stimme von Ian Gillan. Gerade Big Ian hört
man deutlich an, dass er riesigen Spaß bei den Aufnahmen
gehabt haben muss. Er klingt so locker, so entspannt, und
er greift auch recht häufig zur Bluesharp - voll überzeugend!
Eines hat der Produzentenwechsel ganz deutlich bewirkt: Deep
Purple klingen Dank der Mitwirkung von Michael Bradford eingängiger
und man muss die Songs nicht zig mal hören, bevor sie
sich einem erschließen. Seine Aufgabe bestand vermutlich
darin, die guten Ideen der Band herauszufiltern und die Jungs
in der Spur zu halten. Weniger ist nämlich manchmal mehr.
Vergleiche mit alten Alben sind immer sehr gewagt, aber stilmäßig
geht`s meiner Meinung nach in Richtung "Machine Head"
- eingängig und virtuos zugleich.
"Bananas" ist das Sommerhardrock-Album par excellence,
weil es einfach nur frisch und unverbraucht klingt und für
gute Laune sorgt. Schon mit dem Opener "House Of Pain"
machen Deep Purple dem Hörer deutlich: "Hey Leute,
wir sind noch da. Mit uns muss man noch rechnen!" Ein
richtig guter Hardrock-Song mit einem einprägsamen Refrain.
Mit einigen mustergültigen hohen Schreien scheint uns
Ian Gillan weismachen zu wollen, dass es die vergangenen 30
Jahre nicht gegeben hat.
Das zweite Stück "Sun Goes Down" beginnt mit
düsteren, schweren Orgelklängen. Hier zeigen sich
unsere Helden ungewohnt heavy. Der Refrain ist einfach nur
genial und ziemlich mystisch. Don Airey spielt am Schluss
ein sehr wildes Hammond-Solo. Geil! Apropos Don Airey: Insgesamt
fällt auf, dass er die Hammond wesentlich agressiver
spielt als Jon Lord. Das alte Schätzchen wird zum Teil
ganz schön malträtiert. Don hat sich hervorragend
in die Band eingefügt und wird von den Kollegen auch
voll akzeptiert, denn er hat mit Sicherheit nicht weniger
Solo-Parts als Steve Morse. Sowohl Steve als auch Don spielen
sehr banddienlich. Keiner versucht sich in den Vordergrund
zu spielen. Ein ebenso dezentes wie geniales Solo hier, ein
feines Intro da, aber nie klingt`s auch nur ansatzweise aufdringlich.
Hier ist eine echte Band am Werk.
Als dritter Song folgt die wunderschöne Ballade "Haunted",
mit der Background-Sängerin Beth Hart und einem Streicher-Ensemble
unter der Leitung von Paul Buckmaster, der laut Roger Glover
unter anderem schon für Elton John gearbeitet hat. Super
Nummer mit Ohrwurmqualitäten. Wie sagte doch kürzlich
ein EMI-Mitarbeiter zu mir: "Endlich nochmal ein radiotauglicher
Deep Purple-Song". Ich hoffe, "Haunted" findet
seinen Weg in die Charts. Ohne Video-Clip dürfte es allerdings
sehr schwer werden...
Zwischenfazit nach drei Songs: Drei echte Knaller!
"Razzle Dazzle" ist ein typischer Purple-Standard
(für meinen Geschmack ein Hauch zu typisch) mit einem
witzigen, gute Laune versprühenden Refrain und einem
gelungenen Piano-Solo von Don.
"Silver Tongue" - Song Nr. 5 - ist dann wieder ein
echtes Highlight. Hier klingen Purple erneut ungewöhnlich
heavy. Gitarre und Bass pumpen was das Zeug hält. Ein
sehr moderner Song, bei dem man einfach nicht still sitzen
kann. Klasse!
Mit "Walk On" folgt eine extrem coole, bluesig angehauchte
ruhige Nummer. Einmal mehr setzt Ian Gillan hier die Glanzlichter.
Tja, was soll ich sagen, ein weiteres Highlight. So langsam
wird`s unheimlich.
Song Nr. 7 ist "Pictures Of Innocence" und groovt
wie Teufel. Auf eine relative verhaltene Strophe folgen eine
fetzige Bridge und ein ebensolcher Refrain.
"I`ve Got Your Number" ist bereits bekannt von der
vergangenen Tour. Hier kommen die Progressiv-Fans wohl am
ehesten auf ihre Kosten. Mir persönlich ist das Stück
zu kompliziert arrangiert. Aus den vielen verschiedenen Teilen
hätte man auch zwei oder drei Songs machen können.
Aber das ist natürlich Geschmacksache.
Eine ganz wunderbare Ballade ist "Never A Word".
Nach einem ebenso langen wie schönen Instrumenalpart
am Anfang singt Gillan mit soviel Feeling und Hingabe, dass
einem vor Begeisterung die Haare zu Berge stehen...ok...sofern
man noch welche hat und zudem über eine romantische Ader
verfügt. Einziges Manko: Der Gesangspart ist zu kurz.
Beim rockigen Titelsong "Bananas" liefern sich Steve
und Don ein wahnwitziges Duell. Man achte dabei mal auf den
"kranken" Basslauf von Roger - vollkommen irre!
Der Strophen-Rhythmus von Paicey ist auch ziemlich verrückt.
Das Stück ist in der Tat voll Banane. Und das meine ich
absolut positiv!
"Doing It Tonight" kommt mir irgendwie spanisch
vor. Ich meine damit, dass Ian Gillan "spanisch"
klingt. Hmmmmm..... hört`s euch einfach an. Ebenfalls
`ne crazy-coole Nummer.
Das traumhafte Instrumentalstück "Contact Lost"
bildet das Finale von "Bananas". Hier zieht Steve
nochmal alle Register. Auch hieran kann ich nur eines bemängeln:
Mit 1:30 ist der Song eindeutig zu kurz!
Deep Purple-Fans sind ja dafür bekannt, immer etwas
ganz besonderes zu erwarten. "Bananas" hat meine
Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern bei weitem übertroffen.
Ich kann den beiden Ians, Roger, Steve und Don nur gratulieren.
"Bananas" ist ein Album, das Spaß macht! Spaß
macht auf mehr. Ich freue mich schon tierisch auf die Herbst-Tour!
House Of Pain (3:33)
Sun Goes Down (4:09)
Haunted (4:21)
Razzle Dazzle (3:27)
Silver Tongue (4:03)
Walk On (7:03)
Picture Of Innocence (5:11)
I`ve Got Your Number (5:59)
Never A Word (3:46)
Bananas (4:49)
Doing It Tonight (3:27)
Contact Lost (1:27)
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