|
von Klaus Horn
Hier nun meine angedrohten Anmerkungen zu
"Bananas":
Tja, da sitze ich nun in meinem purpurnen Salon mit
ein paar Flaschen Bier und einer Menge Bananen,
höre mir zum wiederholten Male das neue Album
von Deep Purple an- und kann noch immer nicht genug
davon bekommen. Deshalb will ich jetzt auch nicht in
den Krümeln suchen und mich über
irgendwelche Hintergrundgeräusche aufregen oder
bemängeln, dass einige Songs ausgefadet werden
oder einfach viel zu kurz sind. Nein, ich sage
einfach: "Bananas" ist klasse! Wann zum
Henker gab's bei Purple auf einer Studio-Produktion
zuletzt eine solche Instrumentalpassage wie beim
Titelsong? Wann hat Gillan zuletzt so
gefühlvoll gesungen wie in Walk on? Wann gab's
zuletzt ein Deep- Purple-Album, auf dem mir wirklich
jeder Song gefallen hat? Ich will jetzt nicht jeden
Titel bis ins Letzte behandeln; schließlich
hat jeder Ohren zu hören und seinen eingenen
Geschmack und Andy und Truppi haben ja schon Reviews
geschrieben, denen ich beinahe gänzlich
zustimmen kann. Deshalb nur ein paar Anmerkungen.
Eine CD-Kritik ist das schon gar nicht; wer bin ich,
dass ich geniale Musiker kritisieren könnte?
Wer bin ich, dass ich beurteilen könnte, ob es
draussen regnet? Es gibt genug Leute, die
gänzlich unprofessionelle Plattenkritiken
schreiben- und wohl teilweise auch noch Geld dabei
verdienen. Bei jeder neuen Deep Purple- Scheibe gibt
es "Kritiker", die bemängeln, dass
sich die Band in den 80ern wieder zusammengefunden
hat. Ist das eine sachliche Kritik, die auch nur
irgend etwas mit dem zu besprechenden Album zu tun
hat? Ich weise ja auch nicht diese Schreiberlinge
darauf hin, dass sie sich besser vor zwanzig Jahren
erschossen hätten, weil sie seitdem nichts
Gescheites mehr geschrieben haben.
Die Songs: House of Pain ist ein solider Rocker
(für mich keins der Highlights), gefällt
mir aber als Opener deutlich besser als die letzten
zwei (anfangs erinnerte mich der Songs an gewisse
Rainbow- und auch einen Kansas-Song, aber das gibt
sich). Sun goes down: tolle düstere
Atmosphäre, toller Don; Haunted: gefiel mir
live nicht; aber jetzt gefällt`s mir wirklich
gut, und auch die Streicher und der Backgroundgesang
haben mich nicht umgebracht- und Steves Solo ist
wirklich fein; Razzle-Dazzle: guter Anfang und
Chorus sowie die Piano-Soli, aber insgesamt- sagen
wir mal mit HoP meine Lieblingssongs Nr. 11 und 12
(ich will hier nicht von den schwächsten
Stücken sprechen); Silver Tonge: Yeah, Baby,
yeah! Das Stück groovt! Einer meiner
Lieblingstracks; Walk On: Wow! Einfach geil! Gillan
singt einfach phantastisch, manchmal mein
Lieblingsstück; Picture of Innocence: wirklich
interessantes Stück. I got your number:
wesentlich besser als ich es von der Live-Version in
Erinnerung hatte, Super-wahnsinns-Schlussteil; Never
a word: Wunderschön, sowohl der Instrumental-
als auch der Gesangspart; Bananas: der
Instrumentalpart von Don und Steve saugt einem
wirklich das halbe Hirn raus! (Oh Gott, wie oft hab`
ich das jetzt schon gehört?); Doing it tonight:
Yeeeeeoooooowwwww! Mein Lieblingsstück, wenn es
nicht gerade Walk on ist.Das Teil geht barbarisch
ab, und auch der Schluss ist klasse; bei dem
Stück muss ich immer wie von einer fremden
Macht gelenkt aufstehen und rumtanzen, wobei
allerdings immer eine gehörige Menge Bier aus
dem Glas schwappt (Beim nächsten Durchlauf
lasse ich es lieber stehen); Contact Lost:
Wunderschön, schnief...
Die Band: Auffallend ist die Performance von
Don. Mal ehrlich: wenn man nicht wüsste, dass
das nicht Jon ist, käme man nicht im Traum auf
diesen Gedanken, oder? Wenn ich mir zum Beispiel das
Solo in "House of Pain" anhöre- da
hätte ich doch, wenn ich's nicht besser
wüsste- meine wichtigsten Körperteile
verwettet, dass das Jon Lord ist (gut, das
hätte ich bis vor einigen Jahren auch bei
"Bullfrog" von "Green Bullfrog"
getan; Gott sei Dank hat keiner mitgewettet; da hat
mich der Matthew Ficher ganz schön geleimt
(oder war's gar Tony Ashton?); Fisher hab` ich
dieses Jahr mit Procol Harum gesehen. Und ich ziehe
meinen imaginären Hut vor ihm, erstens für
sein Orgelspiel und zweitens weil er trotz des
unübersehbaren Whisky-Genusses vor dem Konzert
(und währenddessen) nicht von seinem
Orgel-Bänkchen gefallen ist). Teilweise
erinnert Don irgendwie an einen
"früheren" Lord (zum Beispiel beim
letzten Vers von Silver Tongue). Don hat einen
erheblichen Anteil daran, dass das Album trotz allen
verschiedenartigen Einflüssen absolut nach Deep
Purple klingt. Auch Steve Morse gefällt mir
sehr gut; er spielt sehr banddienlich und seine
Solos überzeugen voll (und er versucht nicht
ständig zu beweisen, dass er in einer Sekunde
mehr Noten spielen kann als ein ganzes Symphonie-
Orchester zusammen). Ian Gillan klingt wirklich sehr
gut; es ist natürlich zu einem großen
Teil sein Album. Superb! Roger und Paicy leisten
natürlich auch glänzende Arbeit. Alles in
allem eine sehr runde Sache von Gillan, Glover,
Paice, Morse und Airey- das ist ja jetzt wohl die
offizielle Reihenfolge.
Die Produktion: sehr modern, und auch sehr
gut. Okay, die Platte enthält einige ungewohnte
"Geräusche" und Effekte; aber
vergessen wir nicht: auch in 70ern haben Purple
"Special Effects" verwendet, und wenn's
nur das Anschalten der Klimaanlage war...
Der Titel: Nachdem sich der Widerstand gegen
den Titel "Bananas" etwas gelegt hat: Ist
er wirklich so schlimm? Immerhin hat er für
ziemlich viel Aufsehen gesorgt. Wann wird schon
Wochen vor der Veröffentlichung einer Platte
über deren Titel gestritten. Auch eine Idee, um
auf das Werk aufmerksam zu machen. Warum also nicht
schon früher? Warum nicht "Burnanas",
"The Bananas rages on" oder
"Abananadon"? Vielleicht ärgert sich
der MIB schon darüber, dass er seine aktuelle
CD nicht "Ghost of a Banana" genannt hat
(ganz zu Schweigen von der Live-Platte "Past
Times with Good Bananas" und seiner alten
Scheibe "Catch the Banana"). Vielleicht
fragt sich Jon, ob er sein neuestes Werk nicht
"Boom of the tingling Bananas" hätte
nennen sollen; wer weiss, sein nächstes Werk
könnte eine Symphonie für Piano und
Bananen werden (es gab ja schon mal eine Symphonie
für drei Staubsauger und eine
Bohnerbürste, wenn ich nicht irre; hat die
nicht auch Sir Malcolm Arnold dirigiert?) Und
überhaupt: Haben denn zum Beispiel die
hochgelobten Led Zeppelin es geschafft, für
ihre Alben gescheite Titel zu kreieren?
I,II,III,IV, und was danach kam, war doch auch nicht
viel besser, oder? Ist ein harter Titel wirklich
wichtig für eine Hardrock-Scheibe oder einen
Hardrock-Song? Wäre der populärste
Purple-Song wirklich weniger bekannt geworden, wenn
es statt "Smoke on the water/ a fire in the
sky" gehießen hätte: "Yellow
Bananas/ are better than the green"?
Ja, Okay. Überzeugt...
Das Cover: Ich hoffe mal, dass jetzt keiner
glaubt, Deep Purple sei ein indisches Duo. Immerhin
hat man diesmal wenigstens Bilder von der Band ins
Booklet genommen. Cover und Booklet von Abandon
haben mir weit weniger gefallen. Wer will schon
irgendwelche spärlich bekleideten
waschbrettbäuchigen Dürrheringe sehen, die
von diversen Hochhäusern springen (hm, Frauen
vielleicht? Keine Ahnung)? Ob sich da auch jemand
gefragt hat, wer von der Band da gerade seinen
durchtrainierten Körper in die Tiefe
gestürzt hat? Ausgerechnet Bananen... Getreu
den Scheiben der 70er hätte man auf dem Cover
von "Bananas" eigentlich fünf Bananen
sehen müssen, auf die die Gesichter der
Bandmitglieder aufgemalt sind. Die würden dann
zwar etwas schmal aussehen, aber was soll's?
Vielleicht scheiterte diese Idee daran, weil es zu
schwierig ist, einer Banane ein Kopftuch
aufzusetzen.
Die Philosophie: Welche Philosophie hinter dem
Album steckt, verrät uns Big Ian schon durch
die Songtitel. Wenn wir nämlich einen Satz
bilden, in dem alle Songtitel des Albums vorkommen,
sehen wir, was er uns sagen will (ich bitte alle
grammatikalischen Holperer und Schlüpfrigkeiten
zu verzeihen): "When the SUN GOES DOWN, I WALK
ON to the HOUSE OF PAIN and there I will DOING IT
TONIGHT with my HAUNTED SILVER TONGUE and you can
RAZZLE-DAZZLE one of the biggest BANANAS ever, and
this will be no PICTURE OF INNOCENCE, and althought
I GOT YOUR NUMBER, we will speak NEVER A WORD again
because CONTACT LOST."
Fazit: Was habe ich bei meiner Hör-Session
gelernt?
- Don has won
- Abwechslungsreichtum belebt
ein Album ungemein
- Es muss nicht immer alles hart
und schnell sein
- Eine gute Produktion ist keine
Schande
- Bananen und Bier passen nicht zusammen (hab`
schon wieder Bauchschmerzen)
Und jetzt hör' ich die ganze Scheibe nochmal...
Klaus
|