von Karl-Heinz Baier
Nach dem vor einiger Zeit eine hervorragende
Live-CD und Live-DVD
von der Gruppe um den Bassisten und Songwriter Bob Daisley
veröffentlicht wurden, von denen ich beigeistert bin,
habe ich mich auch auf dieses Werk gefreut. Wie mag diese
tolle Bluesrock-Live-Band im Studio klingen, wo man alles
ein wenig genauer machen kann? Geht die Spielfreude und die
Inspiration verloren und schaffen sie die Gradwanderung?
Um es vorwegzunehmen: Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden.
Und sie haben es geschafft, Jon Lord, der auch schon bei dem
Live-Album mitgewirkt hat, für das neue Album zu engagieren.
Er spielt bei allen Songs Hammond und bei einigen Songs zusätzlich
Piano.
Weitere Gäste sind Ian Gillan, der bei zwei Stücken
singt, Jimmy Barnes (ex "Cold Chisel" und "Living
Loud"), auch bei zwei Stücken Gesang, sowie Jeff
Duff - ebenfalls Sänger bei zwei Songs. Die beiden letztgenannten
Sänger sind in Australien wohl so etwas wie Superstars.
Besetzung also:
Bob Daisley - Bass, Backing vocals, Harmonica
Tim Gaze - All Guitars and Vocals (on 1, 2, 5, 9, 12, 13)
Bob Grosser - Drums, Percussion
Jon Lord - Hammond Organ and Piano
Ian Gillan - Vocals (on 4, 7)
Jimmy Barnes - Vocals (on 6, 10)
Jeff Duff - Vocals (on 3, 11).
Produzent: Bob Daisley
Es gibt zwei Coverversion von Willie Dixon, eine Coverversion
von Don Nix und eine von den Rolling Stones. Der Rest sind
Eigenkompositionen von überwiegend Bob Daisley und Tim
Gaze.
Beim ersten Hören ergab sich für mich das folgende
Bild (in Stichworten):
1. The Blues Just Got Sadder
- Lord Hammond-Intro und getragenes Hammond-Solo im Mittelteil
- schönes Gitarrensolo
- Der Song erinnert ein wenig an Jon's Artwoods-Zeiten.
2. Gotta Find Me Some Fire
- Erstes Guitar Solo Anfangs ein wenig wie Blackmore
- Die Hammond dröhnt das Lied durch (ohne Solo), unterstützt
aber das zweite Guitar Solo
3. Twisted System
- Super Daisley Bass-Intro
- Tom Jones ähnlicher Gesang von Jeff Duff
- Trotz Blues ein modernerer Sound
- Bass/Schlagzeug Klasse
- kurze Hammond Sätze (wie Bläser eingesetzt)
- in der Mitte zusätzlich schönes Piano
4. Over & Over
- Anfänglich eine Blues Ballade à la "When
A Blind Man Cries"
- Wundervolles klassisches Piano
- dazu schöne getragene Hammond
- Bob Daisley spielt einen warmen Fretless-Bass (vermutlich
akustik).
- Dann wird der Song härter, ähnlich wie bei "Born
To Kill" von Gillan's "Double Trouble"
- Gillan singt schön - aber nicht hart!
- Hier erinnert mich das Gitarrensolo ein wenig an Steve Morse
(Spiel
mit Lautstärkeregler).
- Kurz vor dem Ende ein Break und dann ein härteres Gitarrensolo,
das in
einem schönen Klavieroutro endet.
- Schöner langer Song, bei dem ich mir allerdings ein
Hammondsolo gewünscht hätte.
- Trotzdem Oberklasse
- Von Lord mitgeschrieben
5. Let It Go
- Lord Hammond mit schönem Solo
- Boogie Blues
- Vielleicht der unauffälligste Son.
- Schön gesungen von Tim Gaze
6. Heart Of Stone
- Coverversion der Rolling Stones
- Lebt durch die Brachialstimme von Jimmy Barnes (Cold Chisel,
Living Loud)
- Kurzes, aber feines Lord Solo
- Moderner Hardrock mit Blueselementen
7. If This Ain't The Blues
- Schöner Blues
- Jon Hammond
- Ian Gillan Gesang
- Keine Glanzleistung von Gillan aber einwandfrei
- Anfänglich dumpfes ruhiges Hammond Solo, dass dann
härter wird und perfekt in den Song passt. Solo ist schön
lang!
8. Danger White Men Dancing
- Instrumentaler Gitarren-Blues mit schöner Hammond-Untermalung.
- Daisley spielt einen schönen, melodiösen "Uriah
Heep"-Bass...
- Feines Hammond Solo
- Super Gitarre von Tim Gaze
9. Dead Presidents
- Coverversion von Willie Dixon
- Lustiger Fun-Blues mit Bob Daisley an der Mundharmonika
- Jon's Hammond dezent im Hintergrund
- Dann aber ein schönes Hammondsolo à la "The
Artwoods"
- Mit Besen gespieltes Schlagzeug von Bob Grosser
10. Hoochie Coochie Man
- Gleich die zweite Coverversion von Willie Dixon
- Und auch das zweite Stück, das von Jimmy Barnes gesungen
wird
- Er singt hier ganz anders. Mir gefällt's.
- Mit irrem Hau-Rein-Bass von Daisley
- Auch hier werden wir mit einem Lord-Solo vom Feinsten verwöhnt.
- Und am Ende dreht Jon noch einmal auf.
11. Bottle O'Wine
- Hier singt wieder Jeff Duff.
- Hat er mich vorhin noch an Tom Jones erinnert, ist dieses
durchaus ein
Gesang, der mich an alte (!) Whitesnake/Northwinds-Tage erinnert.
- Könnte durchaus ein Marsden/Moody Song sein. So wünschte
ich mir
Coverdale heute.
- Schöner Blues
- Jon's Hammond dröhnt wunderbar - kein Solo
- Und auch Tim Gaze hat wieder ein schönes langes Gitarrensolo.
12. Everybody Wants To Go To Heaven
- Eine Coverversion von Don Nix, den Purple-Fans auch auch
als Autor von
"Goin' Down" kennen.
- Gitarrenblues der ein wenig an "Still Got The Blues"
von Gary Moore erinnert.
- Die Hammond ist ruhig im Hintergrund und hat auch ein fantastisches,
cooles Solo.
- Aber wer genau hinhört, bemerkt auch, dass Jon am Klavier
einen Rhythmuspart übernimmt (ähnlich, wie er es
schon 1964 bei "You Really Got Me" von "The
Kinks" gemacht hat).
- Tim Gaze's Gesang erinnert mich hier ein wenig an Phil Lynott,
von dem ich mir das Lied sehr gut vorstellen könnte.
13. Tell Your Story Walkin'
- Ein kommerzieller, modernerer Blues, bei dem ich die Rhythmussektion
der beiden Bob's herausstellen möchte.
- Daisley spielt einen total wilden Bass, sehr melodisch.
Aber auch die Drums von Bob Grosser sind sehr abwechslungsreich.
- Schönes Lord Solo, dass mir in der Art, wie er es spielt
sehr bekannt vorkommt (ich glaube "Wizard's Convention"?).
- Dann ein merkwürdiges, aber schönes Gitarrensolo
(Wah Wah?).
Zu den Musikern:
Jon Lord spielt so wie ich ihn mag. So sehr mir Don Airey
bei Purple gefällt, hier merke ich, was mir fehlt. Aber
Lord spielt auch besser als auf den letzten Purple Scheiben.
Sehr unterschiedliche Soli. Wer aber ein schnelles Solo erwartet,
der sei gewarnt - das hier ist Blues-Rock!
Bob Daisley, der ja schon den Bass u. a. bei Rainbow, Ozzy
Osbourne, Gary Moore und Uriah Heep gezupft hat, ist nicht
nur ein begnadeter Rock-Bassist (immer schon einer meiner
Lieblingsbassisten), sondern auch ein toller Songschreiber
(was wir ja spätestens seit den ersten Ozzy Scheiben
wissen). Er spielt hier sehr abwechslungsreich und zeigt ein
große Bandbreite. Wirklich toll.
Bob Grosser - passt perfekt zu Daisley und gefällt mir
sehr gut.
Tim Gaze - spielt sehr abwechslungsreich Gitarre, auch wenn
Teile nach Blackmore, Morse oder Marsden klingen, zeigt er
doch, dass er eine große Bandbreite hat. Sein Gesang
passt genau zu diesen Bluesstücken.
Ian Gillan - singt gut, aber es sind sicherlich nicht die
besten Songs
die er je gesungen hat. Das getragene, ruhige liegt Ian vielleicht
nicht
ganz so. Aber ich bin zufrieden.
Jimmy Barnes, der stimmlich irgendwo zwischen Roger Chapman
("Shadow On
The Wall") und Brian Johnson (AC/DC) einzuordnen ist,
singt hier bei
beiden Stücken sehr unterschiedlich. Aber beide Songs
leben durch seine
Power, was ich bei den Gillan Stücken nicht behaupten
kann.
Jeff Duff singt auch bei beiden Stück sehr gut, wie
bereits oben
geschrieben sehr unterschiedlich.
Zur Bonus-DVD:
Die Bonus DVD ist leider nur 35 Minuten lang. Es gibt 2 Songs
von einem Fernsehauftritt - Who's been Talkin" und "24/7
Blues", die auch schon als Bonus-Songs auf der Live
DVD zu finden sind, sowie "When A Blind Man Cries"
gesungen von Jimmy Barnes, das auch als Bonus schon auf der
Live-DVD zu finden ist. Bis dahin also nichts Neues. Neu aber
ist eine Dokumentation über die Band überwiegend
aus dem Blickwinkel von Jon Lord. Man muss kein Englisch können,
da die Musik dort die Geschichte erzählt. Auschnitte
aus Proben und Konzerten, Spaß bei den Proben usw...
Da wünscht man sich die Proben komplett zu haben. Auch
hier: viel Hammond, wobei man Jon auf die Finger sehen kann.
Aufmachung:
Schönes Digipak mit allen Texten, jedoch leider keine
Fotos.
Fazit:
Hier haben wir eine hammondorientierte Bluesrock Scheibe,
die fast alle Richtungen des Bluesrocks umfasst. Kein Lied
klingt wie das andere. Wer ursprünglichen Blues erwartet
sei gewarnt, wer Heavy Rock erwartet auch. Wer harten Bluesrock
mag, der wird begeistert sein. Dies ist Bluesrock erster Klasse,
den man vielleicht mit den ersten Gary Moore Bluesscheiben
gleichsetzen kann - nur wesentlich abwechslungsreicher. Für
Hammond-Fans sei die Scheibe empfohlen, Lord's Hammond hat
seit den Siebzigern nicht mehr so dröhnend geröhrt.
Die Lesleys tun ihren Dienst. Schön, dass Jon neben seinen
klassischen Ambitionen auch mit 66 Jahren noch weiß,
was ein echter Lord-Hammond-Groove ist!
Für mich 9 von 10 Punkten.
Wem die Scheibe gefällt, dem sei die Live-DVD
ans Herz gelegt, die ein komplettes Konzert der Band und Daisley
und Lord zeigt und vielleicht noch einen Tick besser ist,
als diese CD.
Homepage mit Sound- und Videoschnipseln (unbedingt ansehen/-hören):
http://www.hoochiecoochiemen.com
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