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Whitesnake: Live... In The Shadow Of The Blues
(SPV 95702, 2CD, Deutschland, 24. November 2006)

Albumcovervon Florian Pritsch (Keyboarder von Demon`s Eye)

Whitesnake - Die klassische Ära
Zu Beginn dieser Rezension muß ich einräumen, dass ich ein absoluter Anhänger des klassischen britischen Line Ups bin, das ich in der Formation David Coverdale-Bernie Marsden (g)-Micky Moody (g)-Jon Lord (keys)-Neil Murray (b)-Ian Paice (dr) in seiner Art bis heute unschlagbar finde. Kraftvoller bluesbeeinfußter britischer Hardrock war das, mit zweistimmigen Gitarrenleads (wie sie vor allem bei den Allman Brothers oder Thin Lizzy ihre Vorbilder hatten), der röhrenden Hammondorgel des Ex- Deep Purple-Virtuosen Lord sowie einer druckvollen und trotzdem filigranen Rhythmusgruppe - und über allem thronte das unnachahmliche bluesgetränkte Organ von Coverdale, der Stimmungen bis hin zum Soul wiederzugeben vermochte. Da sind Studioalben wie "Ready An´ Willing" (1980) oder "Come An´ Get It" (1981) zu nennen, die breite stilistische Palette umfaßte stampfende Klassiker wie "Walking In The Shadow Of The Blues", "Fool For Your Loving", "Ready An´ Willing" und "Don´t Break My Heart Again", Boogie ("Black And Blue", "Wine, Women & Song"), Blues ("Love Man") bis hin zu Balladen ("Blindman", "Till The Day I Die"). Die Show lebte von der Intensität der Songs, den einzelnen Solospots der Musiker und dem Charisma des Frontmans. Die damalige Atmosphäre wird ausgezeichnet eingefangen in dem fantastischen Livedoppelalbum "Live ... In The Heart Of The City" (1980), mit den Auszügen zweier Konzerte von 1978 und 1980. Auch wenn es seitdem durch zuletzt "M3 Classic Whitesnake" einen soliden und legitimen Nachfolger gibt - diese Konstellation kommt nicht wieder. Punkt.

Die beiden nächsten kurzlebigeren Besetzungen (zunächst mit DC, Galley, Moody, Lord, Hodgkinson, Powell auf der "Saints & Sinners"-Tour 1982/83, dann mit Sykes und wieder Murray anstelle von Moody und Hodgkinson auf der "Slide It In"-Tour 1984) können aus heutiger Sicht letztendlich als Übergang zur amerikanischen Zeit angesehen werden, die Coverdale von 1987 an den erhofften Weltruhm brachte, mit einem radikalen Stilwechsel. Den Weg dorthin bereitet ihm vor allem der Drummer Cozy Powell (auch wenn bereits 1985 die Band verläßt). Ferner erweist sich der junge Gitarrenvirtuose John Sykes als kongenialer Songwritingpartner

Whitesnake - Die amerikanische Ära 1987-1990
Als im März 1987 ein neues Album "Whitesnake 1987" weltweit veröffentlicht wird, löst es große Diskussionen aus: dessen bombastische Härte hat kaum noch etwas mit den vorangegangenen Alben gemeinsam, Coverdale hatte sich nun endgültig vom Geist der ursprünglichen Besetzung gelöst. "1987" wird die alten Fans in Europa regelrecht verstören, die amerikanischen Hörer hingegen, die erst jetzt überhaupt von Whitesnake Notiz nehmen, begeistern. (Der Verfasser dieser Zeilen hatte zuerst seine Probleme, aber konnte schließlich auch mit dieser Stilrichtung etwas anfangen und verfolgte sie weiter.)
Coverdale, der das "Projekt" Whitesnake mehr denn je nur als eigenes Vehikel betrachtet, hat neben Murray auch Sykes kurz vor endgültiger Fertigstellung des Albums gefeuert (Aynsley Dunbar fungierte ohnehin nur als Studiodrummer), er geht mit neuem Logo, neuem Sound, neuem Image und daher komplett ausgewechselter Besetzung an den Start. (Wenn man bedenkt wie unglaublich erfolgreich das neue Album daraufhin einschlug, die Welttournee wurde, kann man sich ungefähr vorstellen was Sykes entgangen ist. Er ist ja auch seither nie wieder so bekannt geworden wie damals bei Whitesnake, blieb eher in Japan berühmt.)
DC ergreift die Chance, in Verbindung mit seiner neuen Plattenfirma Geffen eine auf amerikanische Verhältnisse zugeschnittene Band zusammenzustellen: mit Adrian Vandenberg (g)-Vivian Campbell (g)-Rudy Sarzo (b)-Tommy Aldridge (dr). Whitesnake werden Vorreiter einer Glamrock-Welle, die Ende der 80er jahre (neben u.a. Poison oder Mötley Crue) besonderen Wert auf das Visuelle, das Image legt. (Gehässige Zungen werden später von "Weihnachtsbäumen" statt von Musikern sprechen ...) Das neue Album "1987" muß jedoch (unabhängig davon ob man dem Stilwandel nun mag oder nicht) als überwiegend gelungen bezeichnet werden: Coverdale ist in Hochform, seine kraftvollen intensiven Vocals werden getragen von mächtigen dichten Gitarrenteppichen, dunklen hintergründigen Bässen sowie einem virtuosen kompromißlosen Heavy-Drumming, das sich an Powells Double-Bassdrum-Arbeit orientiert. Anstatt des ehemaligen Gitarren-Orgel-Sounds, der an Deep Purple erinnerte, wird das Ganze nun mit gelegentlichem Keyboard-Einsatz (Streicher, Synthesizer-Pads) abgerundet. Abgesehen von neuen Favoriten wie "Still Of The Night" (mit Led Zeppelin-Anleihen), dem eher munteren Shuffle "Give Me All Your Love", dem rockigen Set-Opener "Bad Boys incl. Children Of The Night", der melancholischen Ballade "Is This Love" erstrahlen zwei ältere Songs in neuem Glanz: "Crying In The Rain" (mit ausgedehntem Gitarrensolo im Mittelteil) und "Here I Go Again", diese Hymne wird erst jetzt zum Riesenhit weltweit. Coverdale beginnt eine Welttour (ab Juni 1987 zunächst im Vorprogramm von Mötley Crue, später als Headliner), als Frontman einer top besetzten internationalen Band schafft er den Durchbruch in den USA und damit weltweit, das Comeback in Europa und Japan. Leider konzentriert er sich seither fast ausschließlich auf den lukrativen US-Markt, geplante Konzerte in Deutschland müssen wegen einer Magenvirus-Erkrankung Coverdales ausfallen; lediglich auf vier Konzerten in der Wembley Arena London präsentiert er seine amerikanische Ausgabe von Whitesnake, (noch) erntet er positive Kritiken. Dies ändert sich jedoch, als Whitesnake 1990 wieder nach Europa kommen, diesmal mit dem neuen Album "Slip Of The Tongue" (1989) im Gepäck, das aufgrund des neuen Saitenvirtuosen Steve Vai (er ersetzte Campbell und mußte für den erkrankten Vandenberg zudem alle Gitarrenspuren einspielen) wesentlich weniger bluesig und "bodenständig" ausfällt als von Vandenberg vorgesehen. Die Coverdale-Vandenberg-Songs wirken bei aller kompositorischer Qualität und beeindruckender moderner Gitarrenkunst überproduziert, zu bombastisch und grell, ferner ist DC nun mehr dazu übergegangen in hohen Lagen zu schreien, zu kreischen ("Slip Of The Tongue", "Cheap An´ Nasty", teilweise "Judgement Day"), tiefere gefühlvollere und entspanntere Stellen gibt es immer weniger (teilweise "Now You´re Gone", "Deeper The Love"). Man fragt sich warum Coverdale sich das antut? Schließlich muß er diese Songs live umsetzen und das wird in den folgenden Monaten immer problematischer. Jahre konstanter Beanspruchung der Stimmbänder, dazu der vermutlich ansteigende Streßfaktor, fordern nun ihren Tribut.
Als Whitesnake nach einer US-Tournee im August in Europa eintreffen und die "Monsters Of Rock"-Festivals in England headlinen (in Deutschland "Super Rock" genannt), ist DC stimmlich am Ende: tiefere Lagen kommen teilweise unsauber und brüchig, in hohen Lagen ähnelt sein Singen, sein Kreischen eher einem Krächzen - bitter. Dazu kommt, dass das Erscheinungsbild der Band heftig kritisiert wird. Im Gegensatz zum US-Publikum orientieren sich die britischen Fans überwiegend am traditionellen Bluesrock der alten Tage, als eine geschlossen wirkende Truppe aus grinsenden Jeansträgern auf der Bühne standen und ihren Spaß hatten; statt dessen scheinen nun fünf Egomanen, jeder für sich auf einer riesigen Bühne, zu den Songs zu posen, im Leder- und Nietendress, in glitzernden Jacken und hochgeföhnten blondierten Lockenmähnen. Manche scheinen auch in der eher naiven Vorstellung dorthin gegangen zu sein, Whitesnake würden nun plötzlich wieder "Walking In The Shadow", "Ready An´ Willing" oder "Don´t Break My Heart Again" anstimmen, aber natürlich orientieren sie sich am aktuellen US-Programm. Statt alten Klassikern gibt es längere Solo-Spots, Vai als der neue Star der Band darf sogar drei Songs aus seinem Solo-Album spielen, um es dementspechend zu promoten. Vandenberg, der nun bereits zum zweiten Mal ein Album live vorstellen darf, an dem er keine Note eingespielt hat (das kleine Solo bei "Here I Go Again" ist zu vernachlässigen), will nicht zurückstehen und liefert sich mit Vai einige Hochgeschwindigkeitsduelle, ohne auf Gefühle in der Musik zu achten.
Kurz: Whitesnake scheinen am eigenen hohen Anspruch "erstickt" zu sein, Coverdale fühlt sich ausgebrannt und zweifelt inzwischen am Sinn dieser "Unternehmung", braucht eine Auszeit. Nachdem die Japan-Konzerte noch bewältigt worden sind, kündigt er im Oktober eine längere Pause an und entläßt Ende 1990 alle seine Musiker. Whitesnake gibt es nicht mehr.

Whitesnake - Die Zeit von 1994 bis 2003
David CoverdaleNach einer Erholungspause von den vergangenen stressigen Bühnenjahren mit all dem Business-Druck beschränken sich die musikalischen Aktivitäten David Coverdales während dieses langen Zeitraums auf folgende wenige:
1) Im März 1993 veröffentlicht er zusammen mit dem Ex-Led Zeppelin-Gtarristen Jimmy Page ein Album, das unter dem Logo "Coverdale/Page" firmiert. Es enthält einige gelungene Songs, allerdings wirkt die Stimme Coverdales gegenüber den breit gemischten Gitarrenspuren seltsam dünn, kein Vergleich zum 1987er Album, in der sie breit ins Zentrum gemixt worden war. Auch ist auffällig, dass er zu sehr Pages ehemaligen Sänger - Robert Plant - nachzuahmen versucht, anstatt sich selber treu zu bleiben. Aufgrund mangelnder Nachfrage (mangelnde Unterstützung durch die Plattenfirma?) kommt es jedoch nur zu drei Konzerten in Japan (Dezember), als Gastmusiker der Begleitband fungieren Denny Carmassi (dr, Ex-Heart), Brett Tuggle (keyb) und Guy Pratt (b, Ex-Pink Floyd-Tourmusiker). Neben WS- und Led Zeppelin-Standards spielen sie viele Songs vom gemeinsamen Album. Danach trennen sich wieder ihre Wege. (Es gibt kein Livealbum.)
2) Im Juni 1994 kommt DC mit einer neuen Version von Whitesnake wieder auf Tour nach Europa, um einen kurz darauf erscheinenen "Greatest Hits"-Sampler zu promoten. Mit dabei sind die ehemaligen Mitstreiter Adrian Vandenberg (g) und Rudy Sarzo (b), ferner der Drummer der Coverdale/Page-Tour Denny Carmassi sowie der Gitarrist Warren De Martini (Ex-Ratt) und Keyboarder Paul Mirkovich. Die "Return Of The Snakes"-Tour ´94 wirkt nicht mehr so "aufgeblasen" wie die "Slip Of The Tongue"-Tour und bringt nun Songs aus allen Phasen der Band. Im September sind WS in Japan, danach wird die Zusammenarbeit jedoch nicht mehr fortgesetzt. (Es gibt kein Livealbum.)
3) Im März 1997 bringt Coverdale ein neues Album - "Restless Heart" - heraus, das eigentlich nur unter eigenem Namen erscheinen sollte, doch auf Wunsch der Plattenfirma schließlich auf "David Coverdale & Whitesnake" umgeändert wird. Die Songs sind allerdings eher ruhig gehalten, aufgrund von DC´s entspanntem Gesang hätte diese Veröffentlichung auch eher zu einer Solokarriere gepaßt; das frühere Markenzeichen Whitesnakes jedenfalls - dramatische Songs mit virtuosem Gitarrenspiel - fehlt hier fast völlig, zumal sein Partner Vandenberg sich merklich zurückhält, dafür sehr songdienlich spielt. Schlagzeuger ist Denny Carmassi. (Trotz der durchschnittlichen Songauswahl: das melancholische "Don´t Fade Away" ist ein unglaublicher Song ...)
Dies soll laut DC das letzte Studioalbum von Whitesnake sein, die Band gastiert in Japan und Europa auf ihrer "The Last Hurray"-Tour. Abgesehen von DC, Vandenberg und Carmassi stehen nun wieder neue Leute auf der Bühne: Tony Franklin (Ex-Bassist der John Sykes-Band "Blue Murder") sowie zwei Unbekannte: Steve Ferris (g) und Derek Hilland (keyb). Entgegen der Ankündigung wird es von dieser Tour wieder kein Live-Dokument geben (ein solches hat es seit "Live ... In The Heart Of The City" nicht mehr gegeben, und das ist schon 17 Jahre her!), allerdings kann man auch leider nicht behaupten dass DC besonders gut bei Stimme gewesen wäre: in tiefen Lagen ist sein Timbre weiterhin unnachahmlich, jedoch in den Höhen wird es wieder ziemlich rauh, eher krächzend. Live fällt dies nicht so auf, da wird eh mitgesungen oder die Stimme tritt im Mix mitunter in den Hintergrund, aber da gibt es Bootlegs ... Insgesamt muß man sagen, dass diese Tour noch weniger als die letzte mit denen der End-80er Jahre mithalten kann. Heute ist auch eine andere Zeit mit völlig anderen Musiktrends, WS wirken fast wie eine liebenswürdige anachronistische Reminiszenz an früher. Hierzu paßt, dass niedrige Verkaufszahlen das "Restless Heart"-Album zum Flop werden lassen. Als sich diese Formation sich Ende des Jahres wieder auflöst, gibt es also kein Live-Album dieser Tour, aber das Live-Dokument eines "Unplugged"-Konzertes, in dem DC lediglich von Vandenberg begleitet wird: "Starkers In Tokyo" (Release: September 1997). Und dies zeigt, dass Coverdale in ruhiger intimer Atmosphäre immer noch über eine eindrucksvolle Stimme verfügt: er muß sich nicht gegenüber einer lauten Gitarrenfront behaupten. Vandenberg wiederum kann hier ebenfalls glänzen: absolut sauber spielt er auf einer akustischen Gitarre einen Querschnitt durch die Coverdale-Jahrzehnte, das geht zurück bis zur Über-Ballade "Soldier Of Fortune" (Deep Purple) oder zum ebenfalls wunderschönen "Sailing Ships" (vom "Slip Of The Tongue"-Album). WS-Songs funktionieren eben auch ohne bombastisch-aggressive Arrangements.
4) Im Jahre 2000 veröffentlicht Coverdale endgültig ein reines Solo-Album, scheint sich von seiner WS-Vergangenheit gelöst zu haben. Begleitmusiker sind u.a. die Gitarristen Earl Slick und Doug Bossi und sein langjähriger Drummer Denny Carmassi. Das Album zeigt sich für WS-Fans zu ruhig, trotz rockiger Anklänge setzt DC zu sehr auf Mainstream-orientierte Balladen. Es wird sich auch nicht gut verkaufen, ist - genauso wie "Restless Heart" - wiederum ein Flop. Es folgen auch keinerlei Touraktivitäten.

Whitesnake - Das Comeback ab 2003
Nachdem wiederum zwei Jahre vergangen sind - Coverdale ist ins Privatleben abgetaucht, widmet sich seiner Frau und seinem kleinen Sohn -, gibt es plötzlich Gerüchte über eine bevorstehende Whitesnake-Reunion zum (offiziell) 25jährigen Jubiläum. In der Zeit kurzlebiger Modetrends, einer Musikindustrie, die auf gesichtslose Plastikmucke setzt, feiern einige Bands von damals Reunions, warum also nicht auch Whitesnake, zumal die Fans an einer Solokarriere Coverdales nicht sonderlich interessiert zu sein schienen. Und der Name zieht noch immer, unabhängig davon wer nun mit DC "mitspielen darf".
Am 16. Dezember 2002 ist es dann soweit, Coverdale gibt die Besetzung der "25th Anniversary"-Tour bekannt; und die hat es in sich! Auch wenn später in Europa manche Kritiker eine "gesichtslose" Band von unbekannten Begleitmusikern bemängeln, so handelt sich doch allesamt um Topmusiker der aktuellen US-Hardrockszene (ausgenommen vielleicht der Keyboarder Timothy Drury, der zuvor bei den eher Soft-Rockern Eagles gearbeitet hatte). Als Gitarristen hat DC Doug Aldrich (Ex-Dio, Ex-Burning Rain) und Reb Beach (Ex-Winger, Ex-Dokken) verpflichtet, als Bassisten Marco Mendoza und als Drummer einen alten Bekannten: Tommy AldridgeTommy Aldridge, der von 1987 bis 1990 eine mehr als würdige Nachfolge für Cozy Powell angetreten hatte. Dies läßt darauf schließen, dass DC statt auf zurückhaltenderes ökonomisches Drumming (wie bei Denny Carmassi in den 90er Jahren) nun wieder mehr Gas geben will! Nebenbei: Coverdale hatte im Vorfeld sogar ein angeblich sehr gutes Gespräch mit seinem ehemaligen Songwritingpartner John Sykes, dessen Songs er immerhin die hervorragende "1987"-Comebacktour zu verdanken hat; anstatt ihn jedoch zu verpflichten (er fürchtete wohl die alten Rivalitäten) engagiert er sogar dessen Rhythmusgruppe Mendoza-Aldridge, die das souveräne Rückgrat von Thin Lizzy gebildet hatten (jener legendären Band des längst verstorbenen Bassisten & Sängers Phil Lynott, die in den letzten Jahren mit Sykes und seinem Gitarrenpartner Scott Gorham des öfteren getourt waren).
Anfang Januar 2003 beginnen die Proben zur Welttour, auf der Whitesnake zunächst in den USA touren werden, zusamen mit dem Co-Headliner Scorpions sowie Dokken. Gespannt darf man sein wie die Gitarristen harmonieren werden (das klappte ja in der WS-History nicht immer); um die Rhythmusgruppe braucht man sich ohnehin "keine Sorgen" zu machen, mit dem Veteranen Aldridge am Drumset, der den Großteil der Songs ja alle schon mal gespielt hat. Und wie wird Coverdale stimmlich drauf sein? Er ist mittlerweile 52 Jahre alt und die letzte (nicht allzu überzeugende) Tour liegt sechs Jahre zurück.
Die Setlist 2003 orientiert sich erwartungsgemäß an der mega-erfolgreichen "1987"-Tour. Mit dem Opener "Bad Boys incl. Children Of The Night", gefolgt von "Slide It In" zeigen die fünf Musiker von Beginn an wo "der Hammer hängt". Und angesichts einer zunächst nur einstündigen Spielzeit kann DC eh nichts falschmachen: das "Greatest Hits"-Programm enthält alles was das WS-Herz begehrt, wuchtige Heavyrocknummern mit Blues-Touch ("Crying In The Rain", "Still Of The Night"), was zum Mitsingen ("Slow An´ Easy", "Give Me All Your Love) bis hin zur weltweit bekannten Hymne "Here I Go Again". Nun ja, fast alles: die Fanschar in Europa wünschte sich schon auch andere Sachen, aber noch hat man in Amerika das Publikum zufriedenzustellen - und bis zur Europa-Tour ist ja noch etwas Zeit.

Im Mai 2003 ist es dann soweit. Whitesnake gastieren in deutschen Hallen und erleben eine Begeisterung wie seit 1989 nie wieder. (Die Bootlegs der US-Tour haben dies nur ansatzweise wiedergeben können.) Ich habe sie in Köln im Palladium erlebt: meiner Meinung nach scheint die 2003-Besetzung die beste zu sein, die Coverdale seit 1987 (oder sollte ich sagen: seit Ende 1982?!) je mithatte. Die Band spielt druckvoll und - entgegen mancher Kritik - auch mit Seele; natürlich werden alle Songs sehr heavy gespielt (was erwarten die Leute denn?!), aber doch mit Seele. Und im Gegensatz zur 1990er Tour wirkt Coverdale in all dem Treiben sichtlich entspannt: obwohl seine Stimme nicht mehr so stabil zu sein scheint wie 1987 (von 1980 freilich ganz zu schweigen, aber da war er auch 23 Jahre jünger), so ist er doch (entgegen meiner Befürchtungen) wesentlich besser drauf als 1997. Doug AldrichDer 52-jährige, der auch optisch einen absolut fitten Eindruck hinterläßt, meistert alle Höhen des anspruchsvollen Programms, nimmt sich zwischendurch Zeit für ein gefühlvoll vorgetragenes Solostück, hat mit seinem Charisma und einer gewissen Selbstironie das Publikum jederzeit im Griff. Die Gitarristen Aldrich und Beach ergänzen sich hervorragend, die Songs werden wesentlich authentischer vorgetragen als in den 90er Jahren. Während Aldrich mit seinem fetten Sound, dem starkem Vibrato und seiner Spielweise stark an Sykes erinnert (beide spielen ja auch Gibsongitarren), ist Beach für die modernere Variante zuständig: aber auch seine schnellen Tapping-Soli haben immer noch die Ausdruckskraft, die zum Charakter der Songs paßt.
(Natürlich beginnt spätestens jetzt wieder die unendliche Diskussion, ob die klassische WS-Formation nicht doch die bessere war, warum DC nicht endlich zu ihr zurückkehrt, warum er nicht wieder Marsden & Co gefragt hat usw. - es ist müßig und fast naiv, sich realistisch vorzustellen, dass Coverdale fünfundzwanzig Jahre zurückgeht zu einer Besetzung, die es trotz aller Erfolge in Europa und Japan bis 1982 nie schaffte, den US- (und damit Welt-)markt zu knacken. Und so gern ich mir dies ebenfalls vorstellen würde: mit dieser jetzigen Band hat auch der "moderne" US-amerikanische Heavyrock für mich seine absolute Daseinsberechtigung.)

Das nun anderthalbstündige Programm wurde zudem um frühere Klassiker erweitert: "Walking In The Shadow Of The Blues" und - das ist Pflicht: das wunderschöne "Ain´t No Love In The Heart Of The City", bei dem Coverdale - wie seit 1978 immer - den Whitesnake-Chor dirigiert. (O.K., auch dieser Song wird zwar eher mit Hardrock-Attitüde gespielt, auch mit zwei weniger Blues-, sondern eher Heavy-orientierten Gitarrensoli, aber egal, er hat immer noch ein bestimmtes Feeling.)
Es ist ein gutes Zeichen und es spricht für die musikalische Qualität und das Feeling innerhalb der Band, dass dieses neue Kapitel mal nicht sofort wieder beendet wird, sondern bis heute anhält. Bereits 2004 gastieren sie erneut in Europa (diesmal ohne zuvor in den USA begonnen zu haben), ich sehe sie also zum zweiten Mal: am 12. September in Bonn auf dem Museumsplatz. Und nachdem auch das örtliche Lautstärkeproblem gelöst worden ist (der Mann am Mischpult hatte die amtlichen Vorgaben sehr wörtlich genommen, DC bricht das zweite Stück ab, diskutiert zornig), wird dieses Konzert noch besser als das letzte. Coverdale ist noch besser bei Stimme als im letzten Jahr, seine Band natürlich Reb Beachnoch eingespielter, alle haben Spaß - auch Reb Beach, der m.E. zu kurz kommt, leider weit weniger Soli bekommt als Aldrich.
Obwohl erst im zweiten Jahr wieder neu im Geschäft, wurde das Programm bereits verändert: statt des 1987er-Openers "Bad Boys" besinnt sich Coverdale der Band, mit der er einst Weltruhm erlangte, und beginnt mit dem Deep Purple-Opener "Burn" (erweitert durch den Titelsong des zweiten Albums: "Stormbringer"). Weitere Neuerungen sind die in Europa noch bestens bekannten und geschätzten Klassiker "Ready An´ Willing" und "Don´t Break My Heart Again", als erste Zugabe folgt - unerwartet - der Uptempo-Rocker "Take Me With You" (der bereits das 1980er Livealbum abgerundet hatte).
Nachdem in 2005 eine Live-DVD erschienen ist ("Live In The Still Of The Night"), die das Konzert im Londoner Hammersmith Apollo (früher Odeon) dokumentiert, gaben Whitesnake 2006 einige Konzerte auf europäischen Open Airs. (Der zum "Soul Sirkus"-Projekt" abgewanderte Mendoza war inzwischen durch den jungen Bassisten Uriah Duffy ersetzt worden.) Leider fielen die Gesangsleistungen Coverdales angeblich diesmal zwiespältiger aus, was laut mancher Konzertreviews vor allem angeblich in Balingen deutlich wurde. (Ich war allerdings nicht selbst dort anwesend.) Er mußte sich wohl des öfteren durch schwierigere Passagen quälen. Dies zeigt, dass das Publikum heutzutage von Whitesnake zwar eine eindrucksvolle Heavyrockshow erwarten darf, jedoch leider nicht mehr jeden Tag einen Frontman, der durchweg jeden Song oder jede höhere Passage meistern kann. Es wird gute Konzerte geben und schlechtere (wie man nun mal im Leben mal in guter oder mal schlechterer Verfassung ist). Wie oben schon gesagt: Bonn 2004 war ein gutes Konzert (Hannover 2003 dagegen - laut Bootleg - eher ein gemischtes.) Ferner wies das Programm nun keine Neuerungen mehr auf; Ansätze hierzu gab es zuvor in Japan, doch weder der Deep Purple-Klassiker "Mistreated" noch "Guilty Of Love" können sich etablieren.
Trotzdem sind Whitesnake inzwischen zum Top Act avanciert, der umso mehr im heutigen Heavyrock-Bereich Akzente zu setzen weiß: mit seiner Musikalität, seinen vielen Klassikern, mit dem Charisma eines der letzten großen Rocksänger der letzten Dekade.

Whitesnake - "Live... In The Shadow Of The Blues" (2006)
Whitesnake










Und nun - als Abschluß der letzten Tourneen steht die Veröffentlichung eines neuen Live-Doppelalbums an, des ersten nach 26 Jahren! Wie klingt es? Kann es die Atmosphäre, die druckvolle Performance einfangen? Die Antwort ist eindeutig - ja. Der Hörer (und Fan) kriegt mit 120 Minuten Livemusik plus vier neuen WS-Studiotracks eine wahre Vollbedienung, sechzehn Klassiker (plus dem erwähnten Deep Purple-Opener) werden serviert, die fast sämtliche Epochen umfassen. Natürlich wird das Hauptaugenmerk auf die Zeit ab 1987 gelegt, aber auch Marsden-Moody-Songs sind vertreten - die zugegebenermaßen deutlich heavier interpretiert werden. Die Band klingt wie aus einem Guß, absolut tight, neben den beide Gitarristen bestimmt auch Keyboarder Drury den Gesamtsound mit und kann in manchen Solopassagen glänzen. Aldridge hält den Laden mit virtuosem intensiven Drumming zusammen, unterstützt vom neuen Bassisten Duffy. Coverdale selbst klingt in all den Facetten seiner Stimme souverän, auch wenn er nach meinem Geschmack gelegentlich ein bißchen mehr in den Vordergrund hätte gemischt werden können. Aber man hört ihm - denkbare Overdubs hin oder her - wieder gerne zu!
Und das war leider zwischen 1990 und 2003 nicht immer so: Die menschliche Stimme - jeder weiß oder kann sich zumindest vorstellen, wie anfällig sie nach jahrzehntelanger Beanspruchung sein kann, sie muß sich schließlich stets aufs Neue gegenüber verschleißresistenten Gitarre/Bass/Drums-Wänden durchzusetzen versuchen. Und wir reden hier ja nicht von Kuschelrock ... Seitdem DC 1986 mit ernsthaften Stimmbandproblemen zu kämpfen hatte - die "1987"-Aufnahmen mußten über Monate ausgesetzt werden und waren ernsthaft gefährdet - und sich schließlich erfolgreich in Behandlung begab, klang er m.E. nicht mehr wie früher, aber (zunächst) immer noch sehr kraftvoll und mit Ausdruck. Dies kippte aber - wie ein BBC-Mitschnitt vom England-Konzert beweist - bereits 1990, DC hatte sich zwei Jahre lang augenscheinlich kaputtgeschrien.Danach wurde es mitunter sehr bitter: nicht nur Live-Mitschnitte fielen unterschiedlich aus, sogar auf dem "Coverdale/Page"-Album konnte die gesamte Studiotechnik den Verschleiß nicht mehr kaschieren.
David CoverdaleUmso erfreulicher ist seine neuerdings - wie oben bereits angesprochen - relativ stabile Verfassung, die laut DC seinem neuen Lebensstil zu verdanken ist: so raucht er seit Jahren nicht mehr. Relativ heißt freilich nicht, dass er jetzt jeden Konzertabend durchweg tadellos klingen würde (könnte) - dies würde man aber auch von einem inzwischen über-50-jährigen Sänger, der seit über zwanzig Jahren einen extremen Tonumfang zu meistern hat, nicht allen Ernstes erwarten können. Aber auch wenn manche obere Register mitunter "eng" klingen, rauher als früher (besonders "Slide It In" oder die dritte Strophe von "Walking In The Shadow" konnten schonmal arg krächzend herüberkommen), so gibt es immer noch Abende, an denen DC einfach nur eine beeindruckende Vorstellung abgibt, wie z.B. damals 2004 in Bonn. Es war einfach toll.

Zurück zum neuen Live-Album: selbst wenn man darüber froh sein kann, nach so vielen Jahren endlich mal einen Nachfolger von "Live ... In The Heart Of The City" (auch wenn jener 1980er-Mitschnitt in gewisser Hinsicht unerreicht bleibt) in die Hände zu kriegen, mit amtlichen Versionen so vieler Songs, so bleiben doch manche Kritikpunkte:
1) Zum einen wurden sämtliche Hinweise auf die Auftrittsorte aus den betreffenden Ansagen Coverdales entfernt (z.B. ruft er in "Bad Boys" statt "Make some noise ... (Stadt X)" nur "Make some noise you out there"), ferner fehlen seine kleinen oft witzig-launigen Ansagen zwischen den Songs; dadurch wirken die Aufnahmen ein bißchen "steril", die Atmosphäre kommt nicht so "authentisch" rüber, wie es mancher Bootleg zu vermitteln vermag. Übrigens sind auch dem Booklet keinerlei Hinweise auf die Auftrittsorte zu entnehmen.
2) Außerdem scheinen beide Gitarristen in der Livesituation zu oft mit ihren Hochgeschwindigkeitsskalen glänzen zu wollen, zu selten "ruhen sie sich" mal auf bestimmten liegenden Tönen aus, lassen sie wirken, die Musik "atmen". (Besonders fällt mir das bei "Don´t Break My Heart Again" auf: da wünsche ich mir die seelenvolleren bluesigen Leads eines Bernie Marsden live 1981 zurück!).
3) Hier und da mag man über die Umsetzung der älteren Songs streiten: insbesondere "Don´t Break My Heart Again" wird mit "gnadenlosem" Beat (mit Powerchords auf sämtlichen Hauptzählzeiten) nach vorne getrieben ... Songs wie "Walking In The Shadow Of The Blues", "Ready An´ Willing", "Ain´t No Love", aber auch "Burn" haben eben nicht mehr den Paice-Drive, aber darum muß das Power-Drumming von Aldridge keine schlechtere Alternative sein. Mir gefällt´s.

Noch ein Wort zum Thema "Overdubbing". Natürlich ist es seit jeher üblich, bestimmte Passagen eines "Live"-Albums nachträglich im Studio auszubessern, wobei man sich vermutlich in erster Linie auf die Vocals und manches Solo konzentrieren mag. Daran ist prinzipiell auch nichts auszusetzen - selbst ein erstklassiger Musiker wird die Chance nutzen, eine Darbietung hier und da noch "abgerundeter" klingen zu lassen. Schwierig wird es dann, wenn man das Gefühl kriegt: hier wurde wirklich alles noch einmal eingesungen bzw. eingespielt. (Dieser Vorwurf wurde Coverdale ja bezüglich seiner Live-DVD gemacht.) Vielleicht irre ich mich ja, aber mir erscheint es nicht so, als dass beim neuen Livealbum allzu offensichtlich ausgebessert worden wäre, auch im Vergleich zu manchen Bootlegs der letzten zwei Tourneen. Dafür klingt Coverdales Stimme oft "ehrlich" angestrengt, ähnlich wie auf den Bootlegs eben.

Die vier neuen Studiotracks fügen sich nahtlos in das Gesamtkonzept einer bluesbeeinflußten Heavyrockband:
"Ready To Rock" entspricht dem, was der Titel verspricht: ein vorwärtsdrängender, durch Breaks und Unisono-Linien hektisch wirkender Track mit "Burn"-Feeling und Boogie-Rhythmus, der lediglich in der Bridge auf halftime herabgestuft wird. DC´s Vocals erinnern mit ihrer Robert Plant-Attitüde an seine "Coverdale-Page"-Zeit. (Dieser Song wurde ja bereits 2006 live vorgestellt.) Verglichen mit den drei weiteren Songs fällt dieser aber ab, er ist mir einfach zu überladen.
David Coverdale"If You Want Me " ist ein mächtiger Groover (mit ternärem Feeling), über dem sich Coverdale - leicht effektverfremdet - ergeht. Eingängiger Refrain, Solo wohl von Doug Aldrich. Ein klasse Song, der atmet.
"All I Want Is You" beginnt mit tieferen entspannten Vocals über Kirchenorgelakkorden (do you remember "Need Your Love So Bad", die B-Seite von 1983?), der Song steigert sich im Refrain zu vollen Gitarrenakkorden (deren Kadenzbezüge an "Here I Go Again" erinnern). Das Solo ist wohl erneut von Aldrich. Ein sehr schöner Track.
"Dog" entwickelt sich nach Halftime-Intro (mit aufsteigeden Gitarrenchords plus "Vocal-Touch") ebenfalls zum Uptempo-Rocker, für den Ähnliches gilt wie für "Ready To Rock". Virtuose Unisono-Läufe treiben den Track voran, die Bridge zum Solo (Reb Beach?) ist dem Ending der Liveversion von "Bad Boys" entnommen. Gekonnte Kombination der aufsteigenden Intro-Chords und Refrain-Riff zum Schluß hin. Erneut ein klasse Song, der dieses Doppelalbum "amtlich" abschließt.

So bleibt für den langjährigen Fan - und der bin ich - festzuhalten: mit einer solchen "Rückkehr" konnte niemand mehr rechnen. Und wer - auch meinetwegen mit kleinen Abstrichen - weiterhin all die Klassiker präsentiert bekommen will, der möge mit Vergnügen hingehen und sich diesen Event nicht vermiesen lassen. Whitesnake 2003-2006 sind immer noch viel viel besser als 80% der Krachmacher heutzutage, die mit Depri-Ausstrahlung, schlechten Songs, mittelmäßigen Stimmen und weitgehend ohne virtuose Musikalität die Bühnen dieser Welt bevölkern (dürfen)!
Wer meint, dass Coverdales gesanglich beste Zeit 1982 (oder 1990) abgelaufen ist (wofür auch manches spricht), der möge zuhause bleiben, aber nicht über die Performance jammern. (Und wer Glenn Hughes für den einzig verbliebenen hervorragenden Vokalisten der Deep Purple-Ära hält, hat ebenfalls in gewisser Weise recht; aber erst mal hat Hughes einen hohen Preis dafür bezahlt - trotz mancher kleiner Projekte ging die Rockmusik von 1976 bis 1994 weitgehend ohne ihn vonstatten, in der Zeit hatte Coverdale uns bereits mehrere hochklassige Alben und unvergessene Klassiker geschenkt - und zweitens: was nützt mir all diese Vokalakrobatik, wenn mir die Songs seiner letzen vier/fünf Alben zum großen Teil nicht mehr gefallen?)



Herzlichen Dank an SPV für die Fotos!